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Unterm Strich

Den Namen des Oskar-Maria-Graf-Biographen hatten wir am Sonnabend nachgetragen: Es war Gerhard Bauer. Wenige Stunden danach, zu spät für eine weitere Ergänzung, erreichte uns dann ein unscheinbares Fax von Sepp Bierbichler, der das angeblich von ihm Dahergeredete korrigieren möchte. Hier nun sein Brief: Liebe TAZ Kultur, am heutigen Freitag werde ich in einem Artikel über O.M. Graf mit dem Satz zitiert: „Die Sprengmeister fingern an den Zündern seiner Bücher – sie entschärfen ihn, indem sie von seiner Brisanz reden“. Dieser Satz stammt nicht von mir.

In Verbindung mit Graf ist es mir zu riskant, mich unwidersprochen mit falscher Feder zu schmücken.

Nicht die Wahrheit, die Graf über sich und seine Umgebung verbreitet hat, interessiert bei den Geburtstagsfeierlichkeiten, sondern der Ruhm, der Ruhm, den die Geschichte der Wahrheit immer wieder zuteil werden läßt, lockt die Verweser der Wahrheit in ihren Schein.

sagte ich damals.

Gruß – Sepp Bierbichler

Von solch einem schönen Brief läßt man sich natürlich gerne ermahnen und zur Räson zwingen. Das falsche Zitat aber ist gar nicht auf dem Mist unseres Autoren gewachsen. Besagter Gerhard Bauer hatte es bereits in der von ihm veröffentlichten dtv-Biographie dem Bierbichler in den redenden Mund gelegt, was nicht unbedingt im Sinne des Re-reading ist.

Immer schneller überstürzen sich die Ereignisse: Acht Tage nach seinem Aufruf an Außenminister Kinkel, er möge in Sachen Taslima Nasrin intervenieren und der Schriftstellerin Asyl gewähren, wurde Martin Walser mit dem Großen Verdienstkreuz mit Stern geehrt. Baden-Württembergs Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) überreichte dem 67jährigen Autor die Auszeichnung im Schloß Maurach am Bodensee. In seiner Laudatio würdigte er Walser als heimatverbundenen Schriftsteller: „Wer Walser liest, der atmet Bodenseeluft.“ Gleichzeitig liege Walser auch die Politik im Blut. Er habe beim Thema der deutschen Einheit prophetische Fähigkeiten gezeigt, als er die Chance für Einheit und Freiheit zu einem Zeitpunkt zur Sprache gebracht habe, an dem alle anderen dies für einen Nebenschauplatz hielten. Trotzdem sehe er bei Walser keine Spur nationaler Übertreibung, wußte sich Teufel schließlich doch noch in seinem Übertragungs- Patriotismus zu bremsen. Das Walsersche Engagement für Frau Nasrin wurde derweil mit Diskretion bedacht.

Toll im Trend der Zeit liegt die Berliner Senatsverwaltung für Kultur: Bis zum 31. Juli können sich Dance-Music-Projekte um Studioaufnahmen in den landeseigenen Tonstudios bewerben. Vor geraumer Zeit wurden von dort aus Rockbands wie Rainbirds und Ärzte in den Olymp befördert. Also, nichts wie ran, ihr Nachwuchs-WestBams und Ex-Gitarristen.

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