: Unterm Strich
Peter Härtling, der in den vergangenen Wochen durch den Streit um die Auslieferung seines neuen Buches schwer gebeutelt worden war und sich abwechselnd „wie ein paar Kisten Kaffee“ und „unheimlich gedemütigt“ fühlte, war am vergangenen Montag endgültig „völlig durcheinander“. Zunächst jedenfalls. Denn Dietrich von Boetticher, Geschäftsführer seines früheren Verlags Luchterhand, hatte in einem Brief an seinen neuen Verlag Kiepenheuer & Witsch den Unterlassungsanspruch auf Auslieferung der 20.000 gedruckten Exemplare zurückgenommen: „Ich würde mich freuen, wenn ich die von Ihnen hergestellte sehr schöne Ausgabe von Peter Härtlings Novelle ,Bozena‘ in den nächsten Tagen in den Buchhandlungen sehen würde.“ Von Boetticher machte zudem den Vorschlag, Kiepenheuer & Witsch solle für die Rechte 100.000 Mark zahlen, je die Hälfte für Härtling und die Künstlersozialkasse. Härtling reagierte auf diesen Brief am Nachmittag noch mit großem Erstaunen (s.o.). Entgegen Behauptungen von Luchterhand habe er von diesem Angebot „nichts gewußt“. Um 18.07 Uhr kam über Ticker dann die erlösende Nachricht: Er habe „in groben Zügen“ doch davon gewußt und nur warten wollen, bis ihn der Brief wirklich erreichte. So weit, so gut. Nur wir hier sind jetzt leider endgültig völlig durcheinander. Und fühlen uns wie ein paar Päckchen Teebeutel.
Der algerische Schriftsteller Rachid Mimouni, der sich an der Aktion „Briefe an Taslima Nasrin“ beteiligt hatte (siehe taz vom 27.7.), hat an seine deutschen KollegInnen appelliert, algerische Intellektuelle bei der Einreise nach Deutschland zu unterstützen. Die Lage in Algerien sei dramatisch, Terrorgruppen hätten beschlossen, „alle Intellektuellen, einen nach dem anderen, zu eliminieren“, sagte Mimouni. „Es handelt sich um einen fundamentalistischen Ausrottungsprozeß.“ Mimouni hofft, daß die Bundesregierung verfolgten algerischen Intellektuellen Asyl gewährt.
Derweil hat auch die Bremer Senatorin für Kultur und Ausländerintegration Helga Trüpel eine Unterstützungskampagne für algerische Intellektuelle gestartet. Sie hat die Wissenschafts- und Kulturressorts in den Bundesländern aufgefordert, an Hochschulen und Universitäten kurzfristige Aufnahmemöglichkeiten für die am meisten bedrohten algerischen Wissenschaftler zu schaffen. Ihre Initiative knüpft an das von dem französischen Soziologen Pierre Bourdieu gemeinsam mit dem Philosophen Jacques Derrida und einigen Kollegen aus dem Maghreb gegründete Internationale Unterstützungskomitee für algerische Intellektuelle an (CISIA). Eine deutsche Sektion gibt es seit Herbst 1993. Einige Bundesländer haben bereits reagiert: Die Wissenschaftsministerien in Nordrhein- Westfalen, Sachsen und Bremen baten ihre Universitäten, algerische Gastwissenschaftler für ein Semester nach Deutschland zu holen.
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