: Unterm Strich
Täglicher Christo, die letzte (schluchz!): Kurz vor der Enthüllung heute, die ja von führenden Kräften der FDP wie Guido Westerwelle hinausgezögert werden sollte, während Tausende und Abertausende noch mal auf die Wies'n zogen, wo ja auch der Vorschein der künftigen Berliner Republik über dem Wrapped Reichstag gesichtet worden sein soll (mit total sanfter Aura und so), wurde ein Mann aufgegriffen, der auf recht ungeschickte Weise Folienstücke als Erinnerung zu verscheuern versuchte. Etwa sechs Quadratmeter hatte er beiseite geschafft, vermutlich in seiner Funktion als Monteur und Kletterer. Jetzt droht Anzeige: Betrug und Diebstahl. Die Entsorgung der Hülle schickt sich im übrigen an, ein kleines Problem zu werden, und zwar nicht nur technisch, sondern auch kunstmarktmäßig. Die ursprüngliche Idee, aus dem Polypropylenstoff riesige Taschen für industrielle Textilabfälle zu schneidern, mußte wieder fallengelassen werden, weil die Gefahr zu groß war, daß die Taschen auch wieder als Kunst auf einem grauen Markt verscheuert worden wären. Also Tennisplatzbeläge oder Markisen? Auch nichts, meint Christo, die würden sofort in Stücke geschnitten und in Schwarzgalerien teuer gehandelt. Bleibt nur das Totalrecycling nach der Transsubstantationsmethode: Ich war eine Reichstagsverhüllungsplane. Nadelfilz für Teich- und Deponiefolien soll draus werden, aber erst, nachdem der Stoff total aufgeribbelt und von einem Reißwolf zur Unkenntlichkeit zerstückelt worden ist. Zugriffsmöglichkeiten auf die noch intakte Hülle könnten sich möglicherweise noch während des Transports von Berlin ins westfälische Legden ergeben, denn Panzerwagen sind bislang nicht bestellt. Und in der Firma selbst? Die Mitarbeiter seien verläßlich, versicherte der Chef der dpa, außerdem sei ins Münsterland nicht vorgedrungen, „daß das Material finanziell so hochwertig ist“.
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