: Unterm Strich
Kinkels auswärtige Kulturpolitik steht unter Beschuß, eine Neubestimmung wird eingefordert. Aber sein Kulturetat soll 1996 um ganze vier Millionen auf 1,176 Milliarden Mark 1996 steigen – was nicht einmal ausreicht, die tariflich vereinbarten Gehaltserhöhungen für die 1.500 Lehrer an deutschen Auslandsschulen zu bezahlen. Um den Wunsch des Kanzlers nach einem eigenen Deutsch-Lernprogramm für die GUS zu finanzieren, werden andernorts Stipendien für Nachwuchswissenschaftler und Studenten gekürzt. Gespart wird bei internationalen Begegnungen ebenso wie bei den Programmen der Goethe-Institute. Die Alexander von Humboldt-Stiftung mußte die Zahl ihrer Stipendien für ausländische Wissenschaftler von 600 auf 450 pro Jahr verringern. Und während Kinkel momentan versucht, wenigstens noch einige Millionen durch Grundstücksverkäufe für die Kulturpolitik aufzutreiben, fließen aus seinem Gesamtetat 150 Millionen Mark an Subventionen zum Bau von zwei Kriegsfregatten für die Türkei. Der Präsident des Deutschen Akademischen Austauschdienstes, Theodor Berchem, hofft deshalb für 1997 auf eine Initiative des Parlaments. Für einen Konsens über die neuen Aufgaben angesichts der veränderten Weltlage plädiert auch die Deutsche National Stiftung, zu der unter anderen Helmut Schmidt, Hans-Dietrich Genscher und Richard von Weizsäcker gehören. Sie hat allerdings nicht nur Ost- und Mitteleuropa im Auge, sondern auch die Beziehungen zu den islamischen Staaten.
Die solidarische Mädchenbandenbildung, zu der wir gestern zwecks Rettung der Vorsitzenden Heidi Kabel an dieser Stelle aufgerufen haben, ist heute noch dringlicher geworden: Vor dem Hintergrund der akuten Finanzkrise hat nämlich der Intendant der Hamburger Traditionsbühne Ohnsorg-Theater, Thomas Bayer, um die Auflösung seines Vertrages gebeten. Die Nachfolge soll der frühere Geschäftsführer Christian Seeler antreten. Aufsichtsratschef Hellmuth Kern kündigte Einsparungen bei den Personalkosten an. Außerdem soll auf billigere und traditionellere Stücke umgestellt werden. Das wollte Bayer nicht mitmachen. Gründe für die Geldnot sind unter anderen weniger Besucher und weniger Fernsehaufzeichnungen. Wirklich traurig das (den Kalauer mit dem Ohne-sorg ersparen wir Ihnen aber trotzdem).
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