: Unterm Strich
Lang, lang ist's her, das unsereiner sich um Ticker, Faxe, Makros und dergleichen kümmern mußte. Urlaub, schwelende Tage. Doch nun ist Schluß mit lustig und Kurzmeldungen, elf Spalten gar, pflastern den Weg, ja Weg. Zum Beispiel der deutsche Kritikerpreis 1995. Er wurde am Sonntag in Berlin erstmals an einen Dramaturgen verliehen. Die Auszeichnung ging an Hermann Beil vom Wiener Burgtheater, der seit 20 Jahren dem Team um Regisseur Claus Peymann angehört. Er sei der „intellektuelle Kopf eines Theaterwunders“, das in Stuttgart begann, in Bochum fortgesetzt wurde und sich vielen Anfeindungen zum Trotz bis heute in Wien ereigne, hieß es in der Begründung der Jury. Im Namen von Peymann setzte sich Beil bei der Vergabe der undotierten Preise nachdrücklich für den Erhalt der Berliner Schauspielhochschule „Ernst Busch“ ein, die bereits vor dem Mauerfall internationalen Ruhm gehabt habe. Auch der Münchner Generalintendant August Everding, Präsident des Deutschen Bühnenvereins, forderte den Fortbestand der Ausbildungsstätte. Der zum 45. Mal vergebene Preis vom Verband der Deutschen Kritiker ging außerdem an Andreas Gruber für „Hasenjagd – Vor lauter Feigheit gibt es kein Erbarmen“, einer filmischen Abrechnung mit der NS-Zeit. Die Auseinandersetzung mit Gewaltherrschaft und Völkermord sind auch zentrale Themen des Gedächtnis- und Konzeptkünstlers Jochen Gerz, der den Kritikerpreis für bildende Kunst erhielt. Als „Denkzeichen“ gegen die Verdrängung stehen Mahnmale des Künstlers unter anderem in Hamburg und Saarbrücken. Den Kritikerpreis für Literatur erhielt der 31jährige Autor Marcel Beyer für den Roman „Flughunde“, der sich mit Medien im Dritten Reich beschäftigt.
Letzte Worte von Krzysztof Kieslowski: Noch kurz vor seinem Tod hat der am 13. März gestorbene Filmregisseur eine moralische Verantwortung gegenüber seinem Publikum abgelehnt. „Ich habe absolut nicht die Absicht, Einfluß auf jemanden zu nehmen, jemanden zu gestalten oder jemanden in irgendeine Richtung zu drängen“, sagte der Filmemacher einer Schülerzeitung aus Kattowitz (Katowice) vier Tage vor seinem Tod. Das Gespräch, das zwei Gymnasiasten mit dem prominenten Regisseur geführt hatten, erschien am Samstag in der polnischen Zeitung Gazeta Wyborcza.
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