: Unterm Strich
Rund 700 Gäste waren zu Nieder mit Goethe! in die Weimarhalle und weit über tausend Neugierige auf den Marktplatz gefolgt, wo die nach einer Vorlage von Hans Magnus Enzensberger inszenierte Talkshow über den Dichter auf einer großen Videowand übertragen wurde (taz vom Freitag). Neben Jauch hatten in dem als Biedermeierzimmer eingerichteten Studio Liselotte von Stöckelmann (Nicole Heesters), Karoline Herdlein (Hanna Schygulla), Friedrich Glauber (Ulrich Wildgruber) und Kandidat Ludwig Birnbaum (Robert Hunger-Bühler) Platz genommen und lästerten anhand von verbürgten Äußerungen über „Totemtier Goethe“ (Intendant Kauffmann).
Daß die Demontage des Geheimrats in der Stadt der deutschen Klassik so ernst nicht gemeint war, verriet schon der Untertitel des Stücks „Eine Liebeserklärung“. Allerdings ließ das Ganze, mit dem Kunstfestintendant Bernd Kauffmann gegen das „Totemtier“ Goethe angehen wollte, so vermerkt dpa etwas düpiert, viele Erwartungen offen und war stellenweise langweilig. Günther Jauch versuchte in seiner ersten Theaterrolle offenbar etwas zu heftig in gewohnt lockerer Art das Gespräch zu lenken.
Auch gab es, ganz wie im wirklichen Leben, Werbeunterbrechungen. Der „wahre Jakob“ bot wortreich seine Waren an: Bürsten aller Art, Wundermittel gegen Verstopfung, kleine Goethebüsten. Den Besuchern gefiel das Theater in Form einer TV-Plauderei, und sie dankten mit herzlichem Beifall. Das Weimarer Volk verfolgte das Spektakel mit Distanz vom Marktplatz. Wie hatte doch Karoline Herdlein zum Schluß gesagt: „Ich bin müde und geh nach Hause.“
Wer keinen Knall hat, macht sich einen: Samstag abend tat sich die Hauptstadt mit einzelnen Szenen der Oper von Carl Maria von Weber „Der Freischütz“ hervor, welche unter freiem Himmel auf dem Berliner Gendarmenmarkt gespielt wurden. Rauchschwaden zogen einher, als Freikugeln gegossen wurden. Der „teuflische Spuk“ (dpa) in der Wolfsschlucht wurde auch optisch in Szene gesetzt. Riesige, rote und von innen beleuchtete Luftröhren züngelten wie Höllenfeuer im Bühnenvordergrund, und dahinter erschienen weiße Masken und Skelette als Symbol der finsteren Mächte.
Das ansonsten recht sparsame (dpa) Bühnenbild des „Freischütz“, der den Auftakt zu den vier Classic- Open-Air-Veranstaltungen vor dem Schinkelschen Schauspielhaus bildete, erntete an dieser Stelle reichlich Applaus. That's Hauptstadt for you! Das gesamte Stück wurde dann nach etwas mehr als zweieinhalb Stunden mit jubelndem Beifall von den rund 5.000 Besuchern gewürdigt. 175 Jahre hatte man immerhin seine Ruhe vor dem „Freischütz“ gehabt, nachdem er 1821 am neueröffneten Berliner Schauspielhaus als erste deutsche Nationaloper uraufgeführt worden war.
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