: Unterm Strich
Schön ist das Schöne nur im Kontrast zum weniger Schönen. Modefotografen in den USA haben gemäß dieser Maxime Models, die wie delirierende Drogensüchtige aussehen, in schicke Anzüge gesteckt, damit die Eleganz des Gewands besser zur Entfaltung käme. Präsident Clinton hat nun an diesem „Neuen Realismus“ Anstoß genommen. Er sieht in den halbverhungerten Mannequins mit rot geränderten Augen, die sich über die Laufstege von Gucci, Dirk Bikkembergs oder Ann Demeulemeester schleppen, eine skandalöse Glamourisierung der Drogensucht. „Es geht um Leben und Tod“, sagte der Präsident. „Und den Tod zu verherrlichen ist für keine Gesellschaft gut.“ Die Modeindustrie zeigte sich einsichtig. Daß sie künftig auf „Heroin-Chic“ verzichten will, ist allerdings weniger auf Clintons mahnende Worte zurückzuführen als auf den Tod eines berühmten Modefotografen, der kürzlich an einer Überdosis Heroin gestorben ist.
Daß die Kommunikation zwischen Künstlern und Politikern zu verbessern ist, lehrt nicht nur das amerikanische, sondern auch das deutsche Beispiel. Hier nämlich – will man Wolfgang Thierse (SPD) glauben – machen die Künstler den Politikern unentwegt Vorwürfe und fordern mehr Geld, ein Gespräch aber findet nicht statt. Deshalb wird es am 28. Mai eine Podiumsdiskussion im Willy-Brandt-Haus geben. Thema: „Kunst im parlamentarischen Raum“. Anders als in gewohnheitsgemäßer Parlamentsförmigkeit kann sich die SPD die Begegnung mit Kunst wohl nicht vorstellen.
Vom Bernsteinzimmer heute keine neuen Utensilien. Dafür gibt es eine Handschrift aus dem Mittelalter zu vermelden, die im Wittenberger Predigerseminar entdeckt wurde. Der Text aus dem 9. oder 10. Jahrhundert gehört damit zu den frühesten Textzeugnissen deutscher Sprache. Es handelt sich um Teile einer lateinischen Liturgie mit altsächsischer Übersetzung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen