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Unterm Strich

Unser Lieblingswort des Jahres? Selbstverständlich Beutekunst in allen ihren mannigfachen Varianten und Schattierungen: Der russische Kulturminister Jewgeni Sidorow hat der Bundesregierung die Schuld am festgefahrenen Konflikt um die sogenannte Beutekunst gegeben. „Vor ein paar Jahren haben wir vergebens auf eine Geste der Versöhnung aus Deutschland gewartet. Den Wiederaufbau einer Kirche oder eines Museums. Damals hätten wir alles lösen können.“ Sidorow distanzierte sich zugleich von dem 1992 zwischen Rußland und Deutschland geschlossenen Vertrag über die Rückgabe der nach dem Zweiten Weltkrieg aus Deutschland abtransportierten Kulturgüter. „Der Vertrag wurde in einer Art Euphorie geschlossen.“ Nach Gorbatschows Öffnungspolitik habe jeder in Rußland geglaubt: „Jetzt verbrüdern wir uns.“ Tatsächlich aber sei das Vertragswerk juristisch „sehr ungenau“. Streitpunkt bleibe die Frage, was unter dem Begriff „unrechtmäßig verbracht“ zu verstehen sei.

Der Kulturminister stellte klar: „Was von uns einfach mitgenommen wurde, wie zum Beispiel die Bremer Kunstsammlung mit den wunderbaren Dürer-Zeichnungen, müssen wir zurückgeben. Über das aber, was nach den Gesetzen der Siegermächte zu uns gebracht wurde, müssen wir verhandeln.“ Sidorow regte erneut einen Austausch deutscher Kulturgüter gegen russische Kunstschätze an, die von der Wehrmacht erbeutet und verschleppt worden waren. Eine Rückgabe des von Heinrich Schliemann entdeckten „Schatzes des Priamos“ lehnte Sidorow ab. „Das Gold wurde zweimal ausgegraben: vor mehr als hundert Jahren von Schliemann in Troja – dann von mir. Warum soll Rußland es zurückgeben?“ Nachdem er dafür gesorgt habe, daß Rußland die „Beutekunst“ aus den Kellern geholt habe, könne jeder Deutsche nach Moskau kommen, um sich das Schliemann-Gold anzusehen.

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