: Unterm Strich
Deutschland, dein Heine: Mit einem Festakt in Düsseldorf und einer Gedenkfeier an seinem Grab in Paris ist der 200. Geburtstag des Dichters am Samstag offiziöserseits geehrt worden. In der Düsseldorfer Oper erklärte unser Bundespräsident, daß eine Gesellschaft ohne das Engagement unbequemer Denker verkümmere. „Wir brauchen Streit und Widerspruch, wir brauchen die Zumutungen und Fragen unabhängiger Köpfe“, sagte Roman Herzog. Man könne sogar sagen, nie sei der „sperrige Individualist wichtiger gewesen als heute, besonders wenn er mit Ironie, Witz und Eigensinn die am laufenden Band produzierten intellektuellen, kulturellen und politischen Moden auf ihren tatsächlichen Gehalt prüft“. Beherzte Worte, für die Fred Breinersdorfer vom Schriftstellerverband inzwischen auch sehr dankte.
Auch Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer würdigte Heinrich Heine am Samstag. Das Verhältnis der Deutschen zu ihm „ist und war oft auch ein Gradmesser für demokratisches Selbstverständnis“, sagte sie bei einer Veranstaltung auf dem Pariser Friedhof Montmartre. Heine habe sich als „Pariser Bürger, Europäer und Kosmopolit um das Vaterland verdient gemacht, in der Fremde, aber nicht nur dort“. Und sie freute sich, daß jetzt „das Vaterland in Gestalt einer Vertreterin des Parlaments dem Dichter ins Exil nachgereist ist“. Auch in Hamburg war Heine-Tag. Im Rathaus erinnerte Walter Jens: „Einmal ist einem Dichter in unserem Land die große Synthese zwischen Deutschtum und Judentum als Summe zweier Identitäten gelungen.“
Dem amerikanischen Theaterregisseur Robert Wilson indessen ist die Synthese zwischen sich und dem polnischen Tadeusz-Kantor-Preis des Internationalen Kulturzentrums Krakau gelungen. Der undotierte Preis wird seit dem Tod des polnischen Theatermachers Kantor 1992 unregelmäßig vergeben. 1992 erhielt ihn Peter Brook, 1996 Giorgio Strehler. Zur – offenbar vielköpfigen – Jury gehören neben Theaterkritikern und Professoren auch Kantors Witwe Maria Stangret-Kantor und der Leiter des Kulturzentrums, Jacek Purchla.
Nach 13jähriger Planung und achtjähriger Bauzeit wurde – ebenfalls am Samstag, alles am Samstag – in Los Angeles das Getty Center eingeweiht: ein Kulturzentrum in den Hügeln über der Stadt mit einem Museum als Mittelpunkt. Es hat eine Milliarde Dollar gekostet und ist damit das teuerste Kulturprojekt dieses Jahrhunderts in den USA. Der Komplex von sechs Gebäuden wurde von dem Architekten Richard Meier entworfen. Die Kosten wurden 1984 noch auf 100 Millionen Dollar geschätzt, aber der Mehraufwand war nie ein Problem: Die von dem 1976 gestorbenen Ölmagnaten und Kunstmäzen J. Paul Getty 1953 gegründete Stiftung verfügt über vier Milliarden Dollar. Das kann nicht jeder von sich sagen.
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