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Unterm Strich

Das nennen wir professionell: Guildo Horn, 34 Jahre, sogenannter Schlagersänger und einer von zehn Beiträgern beim deutschen Vorentscheid zum Grand Prix d'Eurovision de la Chanson, rührt die Trommel. Bild fragt: „Schlagerkrieg – Darf dieser Mann für Deutschland singen?“ Dazu ein Foto, auf dem der Sänger aussieht, wie eben ein Sänger eigentlich nicht aussehen darf, nämlich müllig und unappetitlich, so etwa das Gegenteil des frühen Roy Black. Der Topstar des deutschen Popbusiness, Wolfgang Petry, erklärt dazu: „Da krieg' ich Pickel. Leute wie er machen sich auf unsere Kosten lustig.“

Richtig. Aber nützt ihm diese hilflose Reaktion? Unabhängig von Geschmacksfragen hat nur Grand-Prix-Doyen Ralph Siegel („Ein bißchen Frieden“) in München erkannt: „Da geht uns der Arsch auf Grundeis“, formulierte einer seiner Mitarbeiter. Der Grund der Besorgnis: Siegel, in Bremen beim deutschen Vorentscheid am 26. Februar selbst mit drei Titeln dabei, fürchtet den hohen Aufmerksamkeitswert der Kampagne. Kampagne? Ja. Brancheninsider wissen, daß Horns Manager selbst vor einer Woche mit den Leuten von Bild den „Schlager-Krieg“ ausgetüftelt haben. Das Motiv: Das Millionenblatt bedient die schlagerselige Jungleserschaft, und die Horn-Entourage freut sich über die kostenlose Promotion.

Nicht zuletzt Horn weiß, daß in Bremen abgestimmt wird – aber nicht durch Expertenjuries, sondern per TED, also durch das Volk. Und in dieser Hinsicht haben Prominente immer bessere Karten als Retortenbands aus dem Jupiter-Stall des Münchner Produzenten und Komponisten.

Die PR-Aktion geht übrigens weiter. Gestern verlautete Bild, 65 Prozent ihrer Leser seien gegen Guildo Horn. Es deutet also viel darauf hin, daß der Sänger am 9. Mai in Birmingham mit dem Lied „Guildo liebt Euch alle“ die Bundesrepublik vertreten wird.

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