: Unterm Strich
Wegen angeblicher Kinderpornographie ist ein heftiger Justizstreit über die US-amerikanische Buchhandelskette Barnes & Noble gekommen. Umgerechnet bis zu 580.000 Mark soll der New Yorker Branchenführer bezahlen, falls das Gericht in Alabama entscheidet, daß die von Barnes & Noble verkauften Kunstfotobände „Das Alter der Unschuld“ von David Hamilton und „Strahlende Identitäten“ von Jock Sturges als Kinderpornographie einzustufen sind. Schon mehrfach sind empörte konservative Bürger gegen diese Bücher vorgegangen, haben sie öffentlich zerstört oder Anzeige erstattet. Den Aufschrei über die Nacktfotos begleiten oft Beispiele. „Kinder in eindeutiger Position, junge Mädchen unter der Dusche, Nacktheit frontal, Jungen am Strand“, regte sich Richard Williams (27) in der New York Times auf.
Eine Anklageschrift ist Barnes & Noble auch bereits aus dem US-Bundesstaat Tennessee auf den Schreibtisch geflattert. Trotz der aufgebrachten Demonstranten und drohenden Geldbußen bleiben die Buchhändler aber hart und die Bildbände in ihren Läden. „Unter keinen Umständen werden wir Bücher aus unseren Regalen nehmen, nur weil einer oder mehrere Bürger sich gegen die Inhalte wenden“, stellt Barnes & Noble-Sprecherin Mary Ellen Keating klar. „Wenn wir das tun würden, dann verletzten wir die Rechte anderer Bürger wie auch das Recht der Autoren und Verleger, ihre Werke in unseren Läden zu haben.“ Schließlich ist die Attacke gegen diese beiden Bücher nicht die erste. Der Buchhandelsriese war auch schon aufgefordert worden, Bücher über das Dritte Reich auszusortieren und sogar Mark Twains berühmte „Abenteuer des Huckleberry Finn“.
Der betroffene Fotograf Sturges spricht von einer konzertierten Kampagne der extremen Rechten, die seine Kunst beleidigt. „Ich bin angetreten, Kinderpornographie auszulöschen“, sagt dagegen Randall Terry, ein bekannter Radioshow-Mann. Er erklärt, Barnes & Noble im Visier zu haben, weil damit ein Erdbeben in der Branche ausgelöst werden könnte: „Wenn Goliath fällt, dann zittert die ganze Erde.“
Doch so leicht sinkt der Riese nicht in den Staub, auch wenn die Aktivisten mittlerweile Staatsanwälte in mehreren Dutzend Bundesstaaten drängen, etwas zu unternehmen. Die Prinzipien des „First Amendment“, jenes ersten Verfassungszusatzes, sind den Amerikanern recht heilig – und dazu gehören ausdrücklich auch Meinungs- und Pressefreiheit.
„Obszönes Material, das die bildliche Reproduktion von Personen unter 17 Jahren während obszöner Akte enthält“ verletzt im Staat Alabama das Gesetz. So ähnlich ist es auch in Oklahoma formuliert, wo die Wut der „Pornographie“-Gegner im vergangenen Jahr Volker Schlöndorffs Film „Die Blechtrommel“ traf. Die beiden Bildbände jedenfalls haben im Verkauf erst einmal von dem Streit profitiert.
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