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Unterm Strich

So kann es gehen: Die Süddeutsche Zeitung hatte Peter Handkes Bericht seiner jugoslawischen „Karwochenreise“ (wie der Untertitel opfer- und auferstehungsfroh lautete) um eine Woche geschoben – und schon erscheint der Text seltsam antiquiert, wie aus einer anderen Zeit herübergesprochen. Noch einmal wird schmerzhaft deutlich, was Handke in seiner Kritik am kriegerischen Vokabular westeuropäischer Presse und der verbreiteten antiserbischen Ideologie hätte leisten können, wenn er nicht selbst so ein unerträglicher Ideologe wäre und die Borniertheit der anderen bloß durch seine eigene ersetzte. Ideologie als Kitsch: Einen serbischen Botschaftsangestellten beschreibt Handke als einen „sehr schmalen, ziemlich großen Mann mit den sehr dunklen glänzenden mandelförmigen Augen der byzantinischen Freskenleute von Orid, Decani, Pec und einer wie von Geburt gebrochenen, dabei fragenden, nichts wollenden, dabei beharrlichen Stimme.“ Westliche Politiker nimmt er dagegen gar nicht mehr als Personen wahr, sondern billigt ihnen nur noch abstrakte Kürzel zu: G. S., J. S. etc. Die Vertreibungen im Kosovo setzt er in Gänsefüßchen als Abstandshalter – aber lieber spräche er wohl bloß von einem „Exodus“. Und während er die Serben zwar tapfer weiter als Jugoslawen bezeichnet, spricht er von den Albanern nur als den „Bewohnern des Kosovo“ – als müsse er so die ethnische Aufteilung des Landes sprachlich nachvollziehen. Unter solchen Prämissen werden alle Schilderungen jugoslawischen Alltags unter der Bedrohung der Bomben zu dem, wogegen Handke sich doch angeblich wehrt: zu Propaganda. Und auch das Richtige wird falsch. Schade drum.

Günter Grass hat unterdessen in einem Gespräch mit dpa vor einem „faulen Kompromiß“ im Kosovo-Konflikt gewarnt. Das Militär und die Polizei, aber auch die „halbmilitärischen und die Mörderbanden, die im Kosovo gehaust und gewütet haben“, müßten vollständig abgezogen werden. Grass sprach sich für eine „starke militärische Präsenz, hoffentlich unter UNO-Mandat“ aus. „Für mich hat bis heute das Schicksal der Vertriebenen das Hauptgewicht.“ Scharfe Kritik äußerte er an der deutschen Presse: „Ich finde es jämmerlich, wie die Presse mit so einem hervorragenden Außenminister wie Fischer und so einem hervorragenden Verteidigungsminister wie Scharping umgeht.“

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