: Unterm Strich
In Europa wurde sein Art Ensemble of Chicago verehrt. Wynton Marsalis hat ihn dagegen kritisiert, weil „seine Reputation viel größer ist als seine Musikalität“. Jetzt ist der amerikanische Jazz-Trompeter Lester Bowie in New York an Leberkrebs gestorben. Der 58-Jährige war einer der herausragenden Musiker des Free Jazz. Bereits im Herbst musste Bowie eine Europa-Tournee mit seiner Gruppe Brass Fantasy wegen der Krankheit abbrechen.
Lester Bowie wurde 1941 in Saint-Louis, Missouri, geboren. Bei seinen ersten Engagements für Saxofonisten wie James Clay oder Billy Harper hatte sich der Trompeter noch an einem traditionellen Stil orientiert. Er gründete das New Jazz Quintet und arbeitete mit der Soul-Sängerin Fontella Bass zusammen, die er später heiratete. Im Studio begleitete er Rhythm'n'Blues-Heroes wie Little Milton, Albert King, Joe Tex, Solomon Burke oder Rufus Thomas.
Mitte der Sechzigerjahre engagierte sich Bowie für die Emanzipation afroamerikanischer Künstler: 1967 stellte er das Art Ensemble of Chicago zusammen, das mit seinem freien und oft aggressiven Spiel vor allem schwarzen Jazz-Musikern ein Forum zur Identitätsfindung bot. Dabei gehörten Brüche zum Konzept: Die Live-LP „Bap-Tizum“ von 1972 etwa verknüpfte afrikanische Perkussion mit Bläsereinsätzen, die sich scheinbar nur sporadisch in den Spielfluss fügten. Der immer kollektive Charakter dieser Improvisationen wurde von Kritikern gerne als „musikalisches Labor“ bezeichnet, während das Ensemble vor allem Wert darauf legte, dass sich in ihren Auftritten afroamerikanische Kultur widerspiegelte: Bowies Band ging bunt geschminkt und in schillernden Gewändern auf die Bühne, die Konzerte fanden mit Töpfen, Pfannen, selbst gebauten Tröten, Holz und Metall statt. 1977 arbeitete Bowie schließlich mit dem nigerianischen Bandleader Fela Kuti im Studio. Die Begeisterung an Mischformen findet sich noch auf den letzten beiden Aufnahmen dieses Jahres wieder. Zumindest passen Titel wie „The Odyssey of Funk and Popular Music“ und „American Gumbo“ gut in Bowies Biografie. Foto: JaPa
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