Unterm Strich:
Völker der Welt, schaut auf diese Stadt. Nein, diesmal nicht auf Berlin, sondern auf, äh, Hannover: Bundespräsident Johannes Rau wünscht sich, die dortige Expo-Weltausstellung möge zu „einer Art Visitenkarte der Deutschen“ werden. Kunstvoll formulierte Rau bei einem Treffen mit Expo-Oberhaupt Birgit Breuel, die Einwohner der Bundesrepublik hätten die Gelegenheit, zur Völkerverständigung beizutragen und das positive Bild der Deutschen in aller Welt zu stärken.
Das sind so Ansprüche. Einen mächtig positiven Eindruck auf die Welt wird sicherlich „Moments of Glory“ machen, die offizielle Hymne der Expo 2000. Sie wurde, wie die Veranstalter der Weltpresse verrieten, von der in Hannover und Umgebung recht populären Rockband The Scorpions komponiert. Den Titel will die Gruppe im März gemeinsam mit den Berliner Philharmonikern einspielen, von April an soll das Lied dann weltweit für die Mega-Messe werben. Nach Expo-Angaben wurden bereits fast zwei Millionen Eintrittskarten für das Spektakel vom 1. Juni bis 31. Oktober verkauft, erwartet werden rund 40 Millionen Tagesbesucher. Messechefin Birgit Breuel sagte, Deutschland solle sich bei der Expo 2000 als Haus der offenen Tür präsentieren. Das heißt wohl, das an Fluchtwege auch schon gedacht worden ist.
Weil sie schon durch ihr bisheriges Wirken ihre Stadt in aller Welt bekannt gemacht haben, wurden die Scorpions übrigens am Mittwoch auch noch mit dem Kulturpreis des Freundeskreises Hannover ausgezeichnet. Nach Vereinsangaben wird der Preis, der bisher meist an Bürgerinitiativen ging, an „tolerante Weltbürger“ verliehen. Das gibt zu denken: Wäre es nicht besser gewesen, den Preis vorsorglich an all jene „toleranten Weltbürger“ zu vergeben, die in den nächsten Wochen mit dem Scorpions-Song belästigt werden sollen?
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