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Unterm Ozonloch schneller Land unter

■ Klima-Enquete: Treibhauseffekt verschärft sich und bringt mehr Wirbelstürme/ Ohne Ozon mehr Hautkrebs/ UN-Konferenzchef Strong fordert „grundlegende Veränderungen des Wirtschaftens“

Berlin (ap/dpa/taz) — Der Treibhauseffekt hat sich weiter verschärft. So lapidar faßte der Vorsitzende der Enquetekommission „Schutz der Erdatmosphäre“ des Bundestags, Klaus Lippold (CDU), gestern in Bonn das Ergebnis einer zweitägigen Anhörung internationaler Wissenschaftler zusammen. Sofortmaßnahmen seien daher dringlich, weitere Forschungsergebnisse brauchten nicht abgewartet zu werden. Lippold übte damit indirekt Kritik an der US- Regierung, die nach wie vor politische Maßnahmen mit dem Hinweis auf Forschungsdefizite abblockt. Lippold bedauerte die „kommentarlose“ Absage der USA und Großbritanniens auf eine Einladung, Repräsentanten an der Arbeit der Kommission teilhaben zu lassen. Zugesagt hätten dagegen unter anderem China und Indien.

Als bedrohlich stufte die Kommission, in der Wissenschaftler und Vertreter der Bundestagsparteien zusammengeschlossen sind, vor allem die Zunahme der CO2-Konzentration ein. Der CO2-Gehalt der Atmoshäre sei in kaum mehr als 30 Jahren von 315ppm (Teile auf eine Million) auf 360ppm gestiegen. Das Kommissionsmitglied Liesel Hartenstein (SPD) erklärte, die Oberflächentemperatur der tropischen Meere habe sich um 0,5 Grad erhöht. Dadurch sei die Verdunstung um 15 Prozent gestiegen. Eine Folge davon sei, daß die Windgeschwindigkeit um 15 bis 20Prozent zugenommen habe. Experten sagten vorher, daß es 25Prozent mehr Stürme vor allem in den Wintermonaten geben werde.

Wegen der „mit rasantem Tempo“ dünner werdenden lebenswichtigen Ozonschicht forderte die SPD-Politikerin einen schnelleren Ausstieg aus der Herstellung des ozonzerstörenden Fluorchlorkohlenwasserstoffs (FCKW). Lippold nannte es einen „Skandal“, daß das sogenannte Londoner Protokoll, wonach der FCKW-Stopp weltweit bis 1999 erfolgen soll, nicht wie vorgesehen am 1.Januar in Kraft treten konnte, da erst 16 von 20 erforderlichen Signatarstaaten ihre Unterschrift geleistet hätten. Frau Hartenstein forderte, den FCKW-Stopp weltweit um drei bis fünf Jahre vorzuziehen.

Die Wissenschaftler hätten auf neue Messungen hingewiesen, wonach das Gesamtozon in der Atmosphäre seit 1980 um zwei Prozent zurückgegangen sei, berichtete Lippold. In Höhen zwischen 13 und 15 Kilometer sei eine noch wesentlich dramatischere Abnahme zu beobachten. Über der Antarktis, wo zuerst ein Ozonloch entdeckt wurde, gebe es, so Frau Hartenstein, inzwischen Stellen, wo der Ozongehalt „Null“ betrage. Ein weiterer Rückgang der schützenden Ozonschicht erhöhe dramatisch das Risiko, an Hautkrebs zu erkranken.

Die Kommission will der UNO- Konferenz zum Klimaschutz im Juni in Brasilien einen Bericht über ihre Arbeit zuleiten. Der Generalsekretär der Konferenz, Maurice Strong, hatte die Industriestaaten erst in den vergangenen Tagen zu einer „grundlegenden Veränderung ihres wirtschaftlichen Verhaltens“ aufgefordert.

Die Industriestaaten, die mit ihrer Art des Wirtschaftens zehnmal größere Wirkung für die Umweltzerstörung hätten als die Überbevölkerung der Entwicklungsländer, sollten im Rahmen der Rio-Konferenz auch einen neuen Fonds für eine umweltgerechte Entwicklung der Dritten Welt bereitstellen, so der Unternehmer Strong. Dieser müsse mehrere Milliarden Dollar jährlich umfassen, einige Experten verlangten bis zu 150 Milliarden pro Jahr.

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