: Unterm Fallbeil
■ Eine Ausstellung dokumentiert die Geschichte von „Juden im Widerstand“
Über den Widerstand gegen die Nazis wird viel geredet, über Geistliche und Militärs, Sozialdemokraten und Kommunisten. Doch es gab noch eine weitere Gruppe Deutscher, die der Hitler-Diktatur entgegentrat: die am direktesten in ihrer Existenz bedrohten Juden. Für sie war schon das simple Überleben eine Form des Widerstandes; wer den Deportationen entgehen wollte, hatte nur zwei Alternativen: Verweigerung oder Selbstbestimmung – Illegalität oder Freitod.
Allein in Berlin tauchten etwa 5000 junge Juden unter, Menschen zumeist, denen politischer Widerstand ungewohnt war. Ohne Wohnung, ohne Lebensmittel, dazu von Denunzianten oder jüdischen Spitzeln bedroht: oftmals war das Überleben nur durch Helfer möglich. Was für Hamburg noch weitgehend fehlt, kommt jetzt als Ausstellung aus Berlin: die vorzüglich dokumentierte Rekonstruktion des Widerstandes jüdischer Jugendlicher, die in Gruppen die Kraft zum Durchhalten fanden.
Jüdische Mitglieder des ehemaligen Kommunistischen Jugendverbandes sammelten sich um Herbert und Marianne Baum. Neben der Unterstützung anderer versteckter Juden betrieb die Gruppe auch unmittelbar politische Arbeit: im Mai 1942 setzte sie eine antisowjetische Propaganda-Ausstellung in Brand. Die Baum-Gruppe wurde daraufhin fast vollständig von der Gestapo verhaftet; viele Mitglieder starben unter dem Fallbeil oder im Vernichtungslager.
Werner Scharff und Hans Winkler gründeten 1943 die Gemeinschaft für Frieden und Aufbau. Ihr Ziel: Agitation gegen den Krieg und Aufklärung über das Lagersystem der Nazis. Obwohl sie anfangs relativ offen arbeiteten und sogar Mitgliederlisten kursierten, konnte die Gestapo die jungen Leute erst 1944 verhaften. Das baldige Kriegsende rettet vielen das Leben.
In der Gruppe Chug Chaluzzi organisierten sich auswanderungswillige Jugendliche, die ihre Identität durch das Studium des Hebräischen und der zionistischen Geschichte festigten. Als der Fahndungsdruck immer stärker wurde, bewaffneten sie sich und setzten sich mit Gewalt gegen die Gestapo zur Wehr. Fast alle konnten die Nazizeit überleben.
Ob es auch in Hamburg solche Widerstandsgruppen gab, ist noch unerforscht. Die Ergebnisse der Berliner Recherchen lassen es vermuten – und machen systematisches Nachfragen dringend notwendig.
Kay Dohnke
Gedenkstätte Israelitische Töchterschule, Karolinenstraße 35, bis 22. 12. Am 7. und 8. 12. erzählen überlebende Mitglieder der Widerstandsgruppen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen