NEUESTE NACHRICHT: GESUNDHEITSMINISTERIN WEISS, WAS ALLE WISSEN: Unterhaltsame Frau Schmidt
Die Krankenkassenbeiträge werden in diesem Jahr die 14-Prozent-Marke überschreiten. Diese Nachricht haben Sie schon letztes Jahr gehört? Sie haben vollkommen Recht. Dass die durchschnittlichen Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zum Jahreswechsel über 14 Prozent steigen würden, schreiben sämtliche Zeitungen seit Monaten. Aber schauen Sie, wenn die Gesundheitsministerin das sagt, dann ist das noch einmal eine Nachricht.
Nicht wegen der Sachinformation, sondern weil Ulla Schmidt mitteilt, was ihrer Meinung nach jetzt mitteilbar ist. Das ist so unterhaltsam an Frau Schmidt: Wann gibt sie öffentlich zu, womit ihr gesamter Apparat schon lange kalkuliert? Den Medien ermöglicht diese Schmidt’sche Kommunikationssynkope, enthüllend zu berichten, was die Ministerin verschweigt, bis die Ministerin redet. Und dann kann man noch einmal schreiben, man habe es ja immer gewusst.
Neben dem Spannungsbarometer zum Thema Beitragssätze gibt es da zum Beispiel auch das lustige Ratespiel „Wann gibt sie zu, dass der Grund für die Kostenexplosion 2001 die Abschaffung der Budgetierung war?“. Alle wissen, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Schmidts Maßnahme zur Besänftigung der Ärzte – die Gesamtausgaben für Arzneimittel nicht mehr per Gesetz zu deckeln – und den in die Höhe geschnellten Kassenausgaben für Medikamente. Auch die „Zielvorgaben“, mit denen die Budgetierung ersetzt wurde, werden nicht eingehalten. Dies hat die Ministerin mittlerweile auch eingeräumt, aber die Verbindung zu den gestiegenen Pillenausgaben mag sie nach wie vor nicht öffentlich erkennen.
Ulla Schmidts Problem ist, dass sie einerseits das bestehende Gesundheitssystem gegen die Liberalisierer verteidigen will. Die dazu notwendige Unterstützung des Gesundheitsapparats und der Öffentlichkeit würde ihr noch nicht einmal verweigert. Außer der FDP will eigentlich kaum jemand die Zweiklassenmedizin. Andererseits aber gelingt es der Ministerin nicht, ihrer Politik auch nur den Anschein eines durchdachten Konzepts zu geben. Die Skizze einer Gesundheitsreform, die sie vorgelegt hat – na ja, für nach der Wahl, aber immerhin –, blieb seither undiskutiert. Schmidt hat auch nicht weiter darauf bestanden. Weiß sie schon, dass sie nicht diejenige sein wird, die ihre Reform nach der Wahl auch umsetzen muss?
Schmidt verspielt die Chance, die interessierte Öffentlichkeit und das Wahlvolk für ihre Gesundheitspolitik zu gewinnen. Viel Zeit hat sie nicht mehr. ULRIKE WINKELMANN
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