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Unterhaltsame Avantgarde

■ Das Chicagoer NRG Ensemble tritt heute im KITO auf

Der Name ist Programm, aber die Energie der Chicagoer Band beschränkt sich nicht auf Power-Playing. Sie bezieht sich auch auf das intensive Zusammenspiel und die furiosen Wechsel der beiden Saxophonisten, in dem das Konzept des „tenor battle“ wiederauflebt. Darüberhinaus präsentiert das NRG-Ensemble seinen wilden Freejazz mit Ironie und einer wohldosierten Prise Klamauk. Schon Bandgründer Hal Russell war der oft selbstbezogene Ernsthaftigkeitanspruch vieler seiner Freejazz-Kollegen suspekt. Mit dem 1977 gegründeten NRG Ensemble wollte er auch beweisen, daß sich innovative Kraft, avantgardistische Radikalität und Entertainment keineswegs ausschließen müssen. Die zum Teil enthusiastischen Publikumsreaktionen bestätigten seine Auffassung. Als Russell Ende 1992 im Alter von 66 Jahren starb, schien das Ende der Gruppe gekommen. Schließlich war er der Spiritus rector des Ensembles gewesen. Allerdings war die Band längst zu einem Kollektiv gleichberechtigter Musiker geworden. So beschlossen Mars Williams (ts, as, ss, didgeridoo, toy horns), Ken Vandermark (ts, cl, b-cl), Brian Sandstrom (b, e-g, tp), Kent Kessler (b, e-b, tb, didgeridoo) und Steve Hunt (dr, vib) weiterzumachen.

Das „neue“ NRG Ensemble betreibt keine rückwärtsgewandten Reminiszenzen. Nach wie vor fabriziert das Quintett einen Freejazz, der zum Erfrischendsten, Wildesten und Witzigsten gehört, das auf diesem Terrain aktuell geboten wird. Dabei greifen die Chicagoer auch auf Rock-Elemente zurück. Schließlich spielte Saxophonist Mars Williams u.a. bei den Psychedelic Furs und der FreeRock-Formation Massacre sowie mit John Zorn. Er studierte bei Roscoe Mitchell und Anthony Braxton, mit dem auch Ken Vandermark schon zusammenarbeitete. Alle fünf Musiker verfügen über Erfahrungen in den unterschiedlichsten Stilrichtungen und beherrschen mehrere Instrumente. Das spiegelt sich in ihrer unterhaltsamen Auffassung von Freejazz wider. Arnaud

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