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Unter die Haut gegangen

■ Bei der „Ersten Bremern Tattoo Convention“im Pier 2 entpuppten sich auch Normalos als lebende Gesamtkunstwerke

Tätowierungen waren in unserem Kulturkreis lange Zeit Standeszeichen von Underdogs, Seemännerstolz oder schlicht der Schrecken besorgter Mütter. Inzwischen haben sie weitgehend den verruchten Glanz des Halbseidenen verloren. Der Körperschmuck auf lebenslänglich boomt, Tattoo-Studios haben Konjunktur und die Messen der Branche werden immer größer.

Auch in Bremen hat man die Zeichen der Zeit erkannt: Die Agentur Born & Born richtete am Wochenende im Pier 2 die „Erste Bremer Tattoo Convention“aus. Bremer Aussteller waren – abgesehen von Crazy Walter aus Walle – an diesem Wochenende allerdings gar nicht vertreten.

Die Großveranstaltung im Gröpelinger Hafen war trotz saftiger Eintrittspreise außerordentlich gut besucht. Ein sehr gemischtes Publikum reiste zum Teil von weit her an, um zu sehen, was es zu stechen gab. Neben respektablen Alt-Rockern mit eindrucksvoll sichtbarer Bildbiographie, und PiercingfreundInnen mit metallgeschmückten Gesichtern war auch der Zulauf an unerschrockenen FamilienausflüglerInnen groß.

Das allgegenwärtigen Surren der Nadeln an den ungezählten Messenständen wurde nur von einem dröhnenden Begleitprogramm mit Unterhöschen-Show übertönt. Als Conferencier moderierte Bernward Büker die Wettbewerbe in solchen Fach-Kategorien wie „Tribal“(überseeische Stammeszeichen), „Celtic“(keltische Ornamente) oder der besten Tätowierung vom Tage. Nur wenige Frauen waren hierbei bereit, nackte Haut zu Markte zu tragen, dafür ließen die Männer um so routinierter vor der Jury die Hosen herunter. Überraschendes kam zutage, wenn das konventionelle Outfit fiel und ein junger Herr sich von den Schultern bis über den Allerwertesten als ornamentales Suchbild präsentierte.

„Rückenstück nennt man sowas“, erklärt der Tätowierer Swann und gibt dabei gerne zu, daß dieser Fachbegriff nach Fleischertheke klingt. Swann begann vor drei Jahren seine „Lehre“im Bremerhavener Studio des Amerikaners Sting. Im Tätowier-Geschäft gibt es zwar keine offizielle Ausbildung, aber die seriösen Anbieter legen Wert darauf, daß der Nachwuchs mit professionellem Ernst bei der Sache ist. Kollegin Gunda von Doc Robsons Studio in Verden bestätigt: „Kurzlehrgänge sind Mist!“Sie warnt ausdrücklich vor dilettantischer Nadelführung von tätowierenden HeimwerkerInnen.

Eine Menge Fach- und Geheimwissen, aber auch die Ausprägung eines eigenen Stils wird in der Ausbildung erarbeitet. Erfolgreiche Tattoo-KünstlerInnen haben ihren eingeschworenen KundInnenkreis, der auch auf den Conventions anreist und die im Studio gefertigten Stücke bei den Wettbewerben präsentiert.

Neben Show und Präsentation wurde auf der Messe natürlich auch tätowiert, was die Nadeln hergaben. Spontanentschlossene standen Schlange bei den Stars der Szene, die sonst vor Ort nicht greifbar sind. Dabei sind selbst kleinere Körperbilder auf der Messe häufig teurer als im heimischen Ladengeschäft. Um die 120,- DM mußte eine Schülerin hier schon anlegen, bis ein zartes Rosenmotiv auf ihrer Schulter knospen wollte.

Von den weniger Mutigen profitierte vor allem Carsten aus Giessen: Er hatte den kleinsten Stand aufgebaut. Bei ihm konnte man sich ein hübsches Motiv auf die Haut pinseln lassen. Garantiert haltbar – bis zur nächsten Dusche. Dagegen kann auch die Frau Mama nichts mehr einwenden.

Helene Hecke

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