piwik no script img

Unter Ziegenlippen

■ 2001: Pilze und Sammler gedeihen prächtig

Ob Goldröhrling, Ziegenlippe oder Butterpilz – in Niedersachsens waldreichen Gebieten sprießen die Pilze bei dem feuchtwarmen Wetter in diesem Jahr ohne Ende. „Wir haben eine Schwemme an Pilzen und Sammlern in den Wäldern“, sagt Pilzexperte Immo Ortlepp aus Abbensen bei Hannover. „Es kommen Pilze zum Vorschein, die sich über viele Jahre nicht blicken ließen.“ Die Ausbeute scheint unerschöpflich: Schon 60 Arten hat der 42-Jährige in den vergangenen drei Monaten auf seinen Exkursionen entdeckt. Üblicherweise findet er höchstens ein Viertel davon.

Schmeckt vielen Sammlern ein Pilzgericht mit Saumpilz, Rötelritterling und Waldchampignon am besten, so birgt die Vielfalt für den Sammler große Gefahren. 80 Prozent kennen nach Ortlepps Angaben nur drei bis vier Pilzarten, meist Steinpilze, Maronen, Rotkappen und die großen Schirmpilze. Wer also seinen Weidenkorb fachgerecht mit Moos ausgelegt habe und sich in den Wald aufmache, sollte ein aktuelles Pilzbuch dabei haben.

Sammler sollten an Ort und Stelle sofort entscheiden, ob das Exemplar in die Pfanne dürfe oder nicht. Denn nicht brauchbare Pilze und Reste sollten für die natürliche Fortpflanzung und die Humusbildung im Wald bleiben, sagt Ortlepp. Sie würden zudem von Hasen, Rehen, Insekten oder Mäusen gefressen. Der Pilzexperte warnt allerdings vor dem Umkehrschluss: „Wenn Tiere Pilze angeknabbert haben, bedeutet dies noch lange nicht, dass wir Menschen sie auch vertragen.“

Höchste Genauigkeit sei bei der Bestimmung der unbekannten Pilzfrucht gefordert. Auch wenn alle Merkmale übereinstimmten, und nur der im Buch angekündigte Anisduft fehlt, sollte man schon die Finger davon lassen, warnt Ortlepp. Noch nicht identifizierte Pilze sollten auf keinen Fall mit in den Korb, sagt er. Denn schon ein kleines abgebröckeltes Pilzstück könne Vergiftungserscheinungen hervorrufen. Magenbeschwerden, Erbrechen und Schwindelgefühl bis hin zur Ohnmacht stellten sich innerhalb von zwei Stunden ein. Nur der giftige Knollenblätterpilz mache eine Ausnahme: Frühestens nach sieben Stunden setze er seine lebensbedrohlichen Zeichen. Dann helfe nur noch schnelles Magenauspumpen, sagt der Fachmann. dpa

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen