: „Unter Niveau“
■ Türkische Journalisten und ihre Medien in Berlin
Über die mangelnde Qualität türkischsprachiger Zeitungen, Radio- und Fernsehsendungen sind sich die geladenen Journalisten einig, auch wenn sie selbst Verfasser solcher Beiträge sind. Aber sind es wirklich der Sensationsjournalismus, die Photos von nackten Mädchen und die Seifenopern, welche die Kommunikationslosigkeit der hier lebenden Arbeitsmigranten erzeugen? Oder spiegelt diese Art von Berichterstattung nicht vielmehr die Nachfrage der ausländischen Minderheiten in Berlin wider?
Mit diesen Kernfragen diskutieren auf dem Podium im „Tiyatrom“ in der Stadt lebende türkische Journalisten - vom links-alternativen „Radio 100“ bis zum konservativen Boulevardblatt 'Hürriyet‘. Das Thema des Abends lautet „Massenmedien und was für eine Kommunikation“. Eine Antwort gibt es freilich nicht, dafür aber zahlreiche Stimmen und Interpretationen.
Kommunikation bedeutet nach Ansicht des SFB-Redakteurs Erkin Özgüc Meinungsvielfalt. ATT-Chefredakteur Deniz Olcayto wendet ein: „Wenn Kommunikation Meinungsvielfalt und Meinungsaustausch bedeutet, dann müssen die Menschen dazu auch vorgebildet sein, sonst würden sie die Meinungsvielfalt nicht verkraften.“
Erkin Özgüc meint, woran es unter den türkischen Arbeitsmigranten fehle, seien Organisationsformen, die Interessen erzeugen. Würden sich die Leute stärker organisieren, blieben sie nicht nur passive Zuhörer, sondern würden selbst ein Teil des Senders.
Hierauf sagt ein Zuschauer, daß es die Medien selbst seien, die immer wieder das Vorurteil von den primitiven Gastarbeitern bestätigten. Schließlich werde in den Sendern und Zeitungen die Auswahl der Themen getroffen und die Art der Berichterstattung beschlossen.
Olcayto sieht viel Verantwortung für die Kommunikationslosigkeit bei den Geldgebern, aber auch bei den Politikern. Hätte man mehr Mittel, wäre es ein Leichtes, bessere Sendungen zu produzieren. Die technischen Voraussetzungen seien da. „Aber die politischen Kräfte wollen die Wichtigkeit eines türkischen Fernseh-Senders in Berlin nicht wahrhaben.“
Andrerseits litten die türkischen Massenmedien unter einem Identitätsproblem. Die Journalisten sollten sich endlich entscheiden, ob sie als Nachrichtenarm der Türkei fungierten oder aber ob sie Journalismus für Emigranten betrieben. Würden sie sich für das letztere entscheiden, hätten sie eine klarere Botschaft. Der jetzige unkritische Journalismus sei unter anderem eine Folge der Hin- und Hergerissenheit.
E.K.
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