: „Unsere Pfunde nutzen“
Bundeskanzler Helmut Kohl auf Abschiedstournee in Hamburg. Gestern abend kam er zunächst zur Visite in die TU Harburg ■ Von Florian Marten
„Hier riecht es nach Zukunft. Man spürt Dynamik und Bewegung.“ Helmut Kohl schnupperte, schaute und schwärmte, als er auf seiner Abschiedstour durch die Republik gestern abend in der Technischen Universität Harburg haltmachte. Dort wurde der Noch-Kanzler, den sein Möchtegern-Nachfolger Volker Rühe an die TU gelotst hatte, überaus freundlich empfangen: nette Begrüßungsworte von der grünen Bürgermeisterin Krista Sager, freundlicher Beifall von den Hochschulangehörigen.
In seiner Rede blieb der Christdemokrat seinem ganz persönlichen Abschiedsdrehbuch treu: „Wir brauchen einen neuen Schub“, lautete seine hochschulpolitische Botschaft nach 16 Jahren als Regierungschef. „Das A und O der deutschen Zukunft sind Investitionen in die Köpfe.“ Und: „Wer an den Schulen spart, verliert die Zukunft. Wir stehen vor einem ganz entscheidenden Qualitätssprung an den Hochschulen.“ Und: „Wenn es nach mir geht, wird sich die Hochschullandschaft grundlegend ändern – mit einem wirklichen Ranking, das die Leistungsfähigkeit nach außen deutlich macht.“
Die vielen hundert StudentInnen beobachteten, staunten und lachten schließlich lauthals, als Kohl unfreiwillig die wohl gehaltvollste Botschaft des Abends entschlüpfte: „Wir müssen die Pfunde, die wir besitzen, endlich nutzen.“ Putzig auch die Laudatio des Hochschulpräsidenten Hauke Trinks, dem es gelang, in nur 60 Sekunden erst der „lieben Krista Sager“, dann dem Bundeskanzler – „ich freu mich riesig, eine hohe Ehre“ – und schließlich sich selbst mit seiner „pfiffigen, kleinen, feinen Hochschule“ auf die Schultern zu klopfen. Da blieb selbst Kohl die Spucke weg. Allerdings nicht lange. Dann scherzte der Kanzler mit einem schelmischen Blick auf den Harburger Rühe: „Ich habe schon immer gesagt – Hamburgs Zukunft liegt im Süden“.
Zwei Stunden blieb der erklärte Fan des A3XX-Baus in Rostock im TU-Gebäude. Dann zog er samt Verteidigungsminister weiter zur nächsten Wahlveranstaltung auf dem Gänsemarkt.
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