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„Unser Wachstum erfordert Großprojekte“

■ Interview mit Professor Zuhal, Staatssekretär im indonesischen Bergbau- und Energieministerium, über den zunehmenden Energiebedarf seines boomenden Landes

taz: Herr Zuhal, die Entwicklung in Ländern wie Indoniesien und China bestimmt in Zukunft die Weltenergiepolitik. Für welche Energiepolitik steht Ihr Land?

Zuhal: Energiepolitik in Entwicklungsländern hat zwei Funktionen: eine soziale und eine ökonomische. Speziell in Indonesien wird die Energiepolitik dadurch kompliziert, daß wir als Öl- und Gasexporteur darin auch eine Devisenquelle sehen. Auf dieser Basis verfolgen wir drei Ziele: Zuerst müssen wir unsere Energiequellen diversifizieren, um soweit wie möglich den Öl- und Gasverbrauch zu reduzieren, weil wir beides als Exportware brauchen. Zweitens verfolgen wir eine Intensivierungsstrategie, wobei es vor allem um eine effizientere Nutzung unserer Kohle geht. Und drittens müssen wir Energie sparen. Wie paßt dazu das riesige Kohlekraftwerkprojekt von Siemens?

Weil wir Öl und Gas für den Export reservieren, bauen wir für den Inlandsverbrauch vor allem auf Kohle. 1970 betrug der Ölanteil an unserem Energieverbrauch noch 87 Prozent, heute nur 65. Bis 2000 wollen wir diesen Anteil auf 50 Prozent reduzieren. Dennoch bleiben wir abhängig vom Öl – aufgrund der Abhängigkeit des Transportsektors vom Öl. Die Diversifizierungsstragie funktioniert deshalb nur bei der Stromproduktion. Hier nutzen wir mehr und mehr Kohle, wobei Siemens uns hilft.

Das Siemens-Projekt markiert auch den Einstieg westlicher Privatinvestoren in die indonesische Energiewirtschaft ...

Als Entwicklungsland müssen wir uns schneller entwickeln als die Industrieländer. Der Anstieg des indonesischen Stromverbrauchs liegt zum Beispiel bei 17 Prozent, in Deutschland beträgt er vielleicht zwei bis drei Prozent. Unser Energieverbrauch insgesamt steigt zwischen 10 und 12 Prozent im Jahr, fünfmal so schnell wie in Deutschland. Dieses Wachstum ist so dramatisch, daß der Finanzierungsbedarf enorm gestiegen ist. Deutschland verfügt über große Kapitalmengen. Wir können es uns nicht leisten, die Entwicklung unseres Energiesystems selbst oder über multilaterale Institutionen wie die Weltbank zu finanzieren.

Die Zusammenarbeit mit unabhängigen Produzenten eignet sich gut für eine Dezentralisierung der Energieversorgung. Warum trotzdem neue Großprojekte?

Grundsätzlich ermöglichen große Projekte Einsparungen bei einer hohen Bevölkerungsdichte, wie etwa auf der Insel Java. Bei unserem extrem hohen Wachstum werden kleinere Kraftwerke dem Bedarfsanstieg kaum gerecht.

Fühlt Indonesien sich angesprochen, wenn zur Senkung der Kohlendioxidemissionen eine andere Politik gefordert wird?

Indonesien ist nur für 0,7 Prozent des Weltenergieverbrauchs verantwortlich. Industrieländer konsumieren 58 Prozent. Was immer wir also für saubere Energien tun – im Weltmaßstab ist es unbedeutend. Dagegen kann ein Land wie Deutschland mit wenig viel bewirken. Wir nehmen gerne Forschungs- und Entwicklungshilfen in Anspruch, um die Kosten erneuerbarer Energiequellen zu senken.

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