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Archiv-Artikel

Unsachliche Migrationsdebatte

betr.: „Tremolo der Betroffenheit“, taz vom 19. 1. 06

Danke für den hervorragenden Kommentar von Frau Karakasoglu. Ich muss sagen, ich bin wirklich enttäuscht von meinem Land, das die Migrationsdebatte dermaßen unsachlich führt – über die Köpfe der Betroffenen hinweg, gezielt oft wider besseres Wissen pauschalisierend und zum Teil großzügig sowohl wissenschaftliche Studien als auch das Grundgesetz missachtend. Haarsträubend ist, dass der „Islam“ dabei in aller Munde ist, aber niemand Interesse daran hat, dieses Wort vor Diskussionsbeginn näher zu definieren oder sich mit dem Thema näher zu beschäftigen. Womöglich müsste man sonst ja feststellen, dass das propagierte Weltbild allzu schlicht gestrickt ist. KATHLEEN PONTE, Barsinghausen

Der Beitrag von Frau Karakasoglu verniedlicht die Probleme mit Hinweis auf die Ignorierung der Migrationsforschung, weil die „biografischen Erzählungen“ von Kelek oder Ates für sie nur Alltagsdeutungen darstellen – als ob man damit authentische Berichte abtun könnte. Allerdings wäre die genaue Betrachtung der Methoden, die Frau Karakasoglu et. al. für ihre Studien angewendet haben, auch einmal den Schweiß edler Sozialforscher wert. Der kulturelle und regionale Hintergrund von Zuwanderern ist zu unterschiedlich, als dass man sie alle in einen Befragungstopf werfen könnte. Um Zwangsheiraten zu verhindern, sind Einschränkungen beim Ehegattenzuzug nicht diskriminierend, sondern verhindern zugunsten junger Frauen, dass diese zwangsweise verheiratet werden. Wenn die „gesellschaftliche Debatte“ bei den Familien, die es betrifft, nicht ankommt, nützen sie nur à la longue.

Frau Karakasoglu verweist auf die Ergebnisse der Migrationsforschung aus dem Bericht der Bundesintegrationsbeauftragten vom August 2005. Darin ist ihre, auch im taz-Artikel von heute an anderer Stelle genannte Studie enthalten bzw. es wird sich auf diese bezogen.

MANFRED SCHÜRZ, Bremen