: Uns reichts! Wir demonstrieren!
■ 15.000 beteiligen sich an Lehrerdemonstration zum Abbau von Arbeitslosigkeit und für Arbeitszeitverkürzung / Landesvorsitzende der GEW fordert phantasievolle Aktionen a la Greenpeace
Stuttgart (taz) - Lehrer auf der Straße, und dazu kämpferisch, das hat es seit Jahren nicht gegeben. Zur Demonstration für das Recht auf Arbeit, Bildung, für Freiheit in Schule und Hochschule und Verkürzung der Arbeitszeit hatte die baden–württembergische GEW nach Stuttgart gerufen. 15.000, Lehrerinnen, Lehrer, unzufriedene Schüler und Kinder zogen vergangenen Samstag durch Stuttgarts Innenstadt. Sieht man von den vielen Parkas, dicken Schals, den langen Rauschbärten ab, wurde das Vermummungsverbot respektiert. „Jungs, bleibt auf dem Boden“, hatte der baden– württembergische Kultusminister Mayer–Vorfelder den Demonstranten im Vorfeld zugerufen. Abgehoben sind zum Schluß der Kundgebung dann auch nur Hunderte bunte Luftballons. Am Tag zuvor erst hatte die Gewerkschaft ÖTV ihre Tarifforderungen fürs kommende Jahr bekanntgegeben: 35–Stunden–Wo chenarbeitszeit, mindestens aber fünf Prozent insgesamt für Arbeitszeitverkürzung und mehr Lohn. Die Lehrergewerkschaft hatte sich den Forderungen angeschlossen. Ein neuer Rekord der Arbeitslosigkeit, so fürchtete dann auch Dieter Wunder, der Bundesvorsitzende der GEW bei der Schlußkundgebung, sei für diesen Winter zu erwarten. Gleichzeitig sei die Bundesregierung dabei, ihren raffiniertesten Schachzug reaktionärer Politik durchzusetzen, die Steuerreform, die Umverteilung von unten nach oben, den Abbau von sozialen Leistungen für Alte, Arme, Kranke, Behinderte und Jugendliche. Wunder fordert, „die Diskussion über Steuerreform und unsoziale Wirtschaftspolitik“ auch an Schulen und im Unterricht zu führen, Widerstand sei angesagt; Lehrerinnen und Lehrer applaudieren. Erstmals, so der GEW–Vorsitzende, habe man mit einer eigenständigen Demonstration in die seit Jahren wichtigste Tarifrunde eingegriffen. Es wird Ärger geben, meint Wunder, mit Phantasie wolle man jeden Kultusminister, jede Landesregierung, jeden Abgeordneten in Bedrängnis bringen. „Lernen wir von Greenpeace“, ruft der GEW–Vorsitzende, eingedenk des Streikverbots für Beamte, den 15.000 zu, kein Kollege werde finanziell im Stich gelassen. Der Applaus ist fast stürmisch, die Drohung des baden–württembergischen Kultusministers vom Vortag, er werde die Lehrer schon an ihre Pflichten erinnern, schien vergessen. Die GEW werde, so ihr baden–württembergischer Vorsitzender Siegfried Vergin, sowohl die ÖTV als auch die Schülerinnen und Schüler des Landes bei ihren künftigen Auseinandersetzungen unterstützen und sich aktiv in den kommenden Landtagswahlkampf einschalten. Ziel: Ein 20–Stunden–Deputat für Lehrer aller Schulen. Die Kundgebung ist beendet, am Himmel entschwinden die bunten Luftballons, Transparente werden sorgsam eingerollt, fürs nächste Mal.
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