: Unruhiger Sinkflug
betr.: „Turbulenzen im vierten Akt“, taz vom 24. Januar
Seit Jahren verfolge ich nun die taktischen Spielchen zwischen Bremer Senat und Kultur(szene). Nach Hübner hat es lange gedauert, bis Bremen wieder einen „Ruf“ in der Theaterszene zu verlieren hatte. Bei Pierwoß geht es jedoch nicht um einen Menschen, der von der Politik nicht mehr gewollt ist, sondern um den endgültigen Ausverkauf der Kultur in dieser Stadt. Pierwoß hat völlig Recht. Wenn der Senat das Bremer Theater will – so erfolgreich und so anerkannt wie es ist, so weltberühmt wie das Bremer Tanztheater immer wieder den Namen dieser kleinen Stadt um die Welt trägt, dann kann der Vertragstext nur ein Scherz sein. Geht es nicht vielmehr darum, durch die Hintertür noch eine weitere, wenn nicht gar die letzte innovativ-kulturelle Säule dieser Stadt gnadenlos zu vernichten?! Ein langsamer Tod, der aber nicht aufzuhalten sein wird. Dass es mit dem Vertrag zwangsläufig zu drastischen Einschnitten kommen muss, ist klar. Wenn man dann um Entlassungen herumkommen will, muss halt schneller gearbeitet werden. Schnelle Arbeit aber ist das Aus für jegliche Kreativität. Ohne Kreativität kein Theater, ohne Theater keine Kultur. Nicht mehr in dieser Stadt, denn die anderen Säulen wurden ja bereits demontiert. Pierwoß wird vorgeschickt. Man braucht ja einen Schuldigen, wenn das Bremer Theater in einigen Jahren durch politischen Willen an Bedeutung verliert. Aber Kulturhauptstadt werden wollen. Was für eine Schnapsidee!
Als ich noch ein Kind war, gab es die Weserlust – ein Kulturfest, das einzigartig war. Dann wurde das Musikfest Bremen erfunden. Die Zukunft hier ist ungewiss. Mit dem „Bremer Tanzherbst“ entstand ein Festival, das weltweites Können auf dem hohen Niveau des Bremer Tanztheaters in die Stadt holte. Alles „nur“ Kultur? Auch auf dem Gebiet „Wirtschaft“ (=Massenkultur?!) hat sich der Bremer Senat nicht besser geschlagen: Das Musical wurde gleich zweimal in den Sand gesetzt – die lange vor sich hinvegetierende Glocke hatte einen kurzen Frühling und ist nach Ilona Schmiel wieder im Nichts versunken. Bitte klappen Sie die Tische vor sich jetzt wieder hoch. Wir werden nach einem unruhigen Sinkflug in der Bedeutungslosigkeit landen. Marcus Behrens