: Uniformverbot für Neonazi-Nachwuchs
Das Innenministerium untersagt der Heimattreuen Deutschen Jugend das Tragen ihrer Uniformen. Damit rückt ein Verbot der rechtsextremen Nachwuchsorganisation näher. Experten halten sie für eine Nachfolgerin der verbotenen Wiking-Jugend
VON ALEXANDER FRÖHLICH
Schlechte Nachrichten für die braune Kinderstube: Das Bundesinnenministerium hat der paramilitärischen Nachwuchsorganisation Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ) ihre Uniformen verboten. Dies bestätigte eine Ministeriumssprecherin der taz. Auch die Justiz ermittelt. Damit rückt ein Verbot der rechtsextremen Truppe näher.
Rechtsextremismusexperten wie der Politikwissenschaftler Gideon Botsch vom Potsdamer Moses-Mendelssohn-Zentrum drängen auf diesen Schritt. „Das Bundesministerium sollte ernsthaft prüfen, die HDJ zu verbieten“, sagte Botsch der taz. Es gebe Anhaltspunkte, dass der Verein ein Nachfolger der Wiking-Jugend sei. Diese hatte das Innenministerium 1994 „wegen ihrer Wesensverwandtschaft mit der NSDAP und der Hitler-Jugend“ verboten, ebenso die Bildung von Ersatzorganisationen.
Die HDJ erzieht Kinder und Jugendliche in Zeltlagern mit militärischem Drill und ideologischer Schulung zu strammen Rechtsextremisten. Mehrere Männer der Organisation waren Anfang Juni als „Einheit Preußen“ in Vereinsuniform durch die Kleinstadt Oranienburg in Brandenburg marschiert. Auch ranghohe NPD-Funktionäre mischen bei der HDJ mit. Nach Angaben des Berliner Verfassungsschutzes hat der Verein 100 Mitglieder. In die Camps kommen – wie beim Pfingsttreffen 2006 – bis zu 350 Personen, vor allem Minderjährige.
Trotzdem weigerte sich das Bundesinnenministerium bis zum Juni dieses Jahres, für die HDJ zuständig zu sein. Begründung: Der Verein sei formal bundesweit nicht aktiv. Nun rudert das Ministerium zurück. Zu keiner Zeit sei eine Zuständigkeit für die HDJ in Abrede gestellt worden. Der Verein sei in mehr als einem Bundesland tätig.
Offenbar hatte das Ministerium Anlaufschwierigkeiten. „Ich habe den Eindruck, dass die HDJ von vielen Beobachtern unterschätzt worden ist“, erklärt Politologe Botsch. Die Organisation hat jedoch selbst dafür gesorgt, dass sich dies geändert hat.
Mitte September gab es Hausdurchsuchungen in Berlin, Dresden und Oranienburg. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin wirft neun Neonazis wegen des Aufmarschs in Oranienburg vor, gegen das Uniformverbot verstoßen zu haben. Das Versammlungsgesetz verbietet es, öffentlich Uniformen „als Ausdruck einer gemeinsamen politischen Gesinnung zu tragen“.
Die HDJ versuchte dies zu umgehen, indem sie sich auf einen Zusatz für Verbände berief, „die sich vorwiegend der Jugendpflege widmen“ – wie beispielsweise die Pfadfinder. Als die Heimattreuen eine Ausnahme vom Uniformverbot beantragten, verwehrte ihnen dies das Innenministerium. „Die Anträge der HDJ sind abgelehnt worden, weil eine Gesamtschau der Aktivitäten ergibt, dass die politische gegenüber der jugendpflegerischen Betätigung überwiegt“, sagte eine Sprecherin der taz. Die Entscheidung sei aber noch nicht rechtskräftig, die HDJ kann dagegen klagen.
Weil die Situation noch unsicher ist, scheut das Innenministerium klare Aussage zu einem möglichen Verbot. Experten glauben, dass das Ministerium die eigene Strategie gegen die rechtsextreme Truppe nicht gefährden will. Doch der politische Druck wächst. So fordert auch Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) ein Verfahren gegen die HDJ. Für die NPD wäre das ein schwerer Schlag, so Körting, weil „wir ihr den Nachwuchs verbieten“.