Analyse: Ungnädige Börse
■ Die Deutsche Bank macht im ersten Halbjahr 1998 einen Rekordgewinn
Von solchen Gewinnsteigerungen können andere Branchen nur träumen. Und selbst im traditionell ertragreichen Bankengewerbe steht die Deutsche Bank mit ihrem Halbjahresergebnis auf den ersten Blick ausgesprochen gut da. Satte 63 Prozent habe man beim Gewinn nach Steuern zugelegt, konnte Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer gestern verkünden. Der Konzern komme nun auf gute 2,4 Milliarden Mark. Auch das in der Finanzpresse argwöhnisch beobachtete Problem Investmentbanking – Dutzende Topspezialisten waren in den vergangenen Wochen abgewandert – werde man bis zum Jahresende lösen und außerdem Europas Nummer eins im Aktienhandel werden. Die Aussichten, daß Breuer diese vollmundigen Ankündigungen auch umsetzen kann, stehen nicht schlecht: Der Überschuß im Provisionsgeschäft stieg um 17,6 Prozent, das Handelsbilanzergebnis, dessen Schwerpunkte die Investmentaktivitäten und das Geschäft mit den Aktien ausmachen, um 22,1 Prozent.
Trotzdem murren die Analysten, und die Aktie sackte bis mittags bereits um 4,05 Mark auf 150,25 Mark. „Da hätte einfach mehr drin sein müssen“, heißt es. Ein zweiter Blick in die Bilanz und der Branchenvergleich zeigen, was damit gemeint ist: Zu dem Gewinn beigetragen hat in erster Linie die Sonderausschüttung des Daimler-Benz-Konzerns, an dem die Deutsche Bank mit 22 Prozent beteiligt ist. 3,2 Milliarden Mark insgesamt durfte die Bank als Gewinn einstreichen, die eine Hälfte davon taucht nun in der Halbjahresbilanz auf, die andere wird in der zweiten Jahreshälfte verbucht werden – beide Male als außerordentlicher Ertrag, mit dessen Wiederholung nicht zu rechnen ist. Und die von Breuer herausgestellten Bereiche Provisionsüberschuß und Handelsergebnis sind so ziemlich die einzigen mit echten Steigerungen. Aber hier hätte die Deutsche Bank auch wirklich alles falsch machen müssen, um nicht vom Börsenboom zu profitieren.
Interessanter sind die Einbrüche: Daß der Zinsüberschuß im Minus landete, kann nicht nur am extrem niedrigen Zinsniveau gelegen haben, das derzeit die Märkte bestimmt. Die einzige andere Bank, die bislang ihr Halbjahresergebnis vorgelegt hat, die Bayerische Vereins- und Hypobank, hat dort einen Zuwachs von neun Prozent verzeichnet. Offenbar ist es ihr im Gegensatz zur Deutschen Bank gelungen, die niedrige Verzinsung durch ein erhöhtes Volumen auszugleichen.
Beim Verwaltungsaufwand, zu dem die Personalkosten gehören, dürfen die Shareholder allerdings hoffen: Der gut zehnprozentige Zuwachs ist auch auf die Ausweitung des Investmentbankinggeschäfts zurückzuführen. Dem Einkauf weiterer teurer Spitzenbanker wird jedoch bis zum Jahr 2001 der Abbau von mehr als 7.000 Stellen in den Filialen gegenüberstehen. Beate Willms
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