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Archiv-Artikel

vorlauf Unglückliche 150 Minuten

„Im Visier des Bösen“ (21.00 und 23.00 Uhr, ARD)

Wie der Kleine Prinz sieht er aus, der elfjährige Thomas von Gall. Mit der Fliege am zarten Hals, der kurzen Leinenhose, den Mandelaugen, dem sauber gescheitelten Blondhaar. Dass er mit seinem Geheimwissen 700 Millionen Reichsmark verwaltet, ahnt wohl niemand in dem Provence-Städtchen im Jahr 1942. Denn Thomas, der begnadete Schachspieler, ist Sohn der Resistance-Kämpferin Maria. Bis sie wenig später gewaltsam stirbt, wird sie seinem Superhirn die Zugangscodes zu Schweizer Geheimkonten eingeprägt haben. Mit dem Geld sollen verfolgte Juden vor den Nazis gerettet werden.

Die deutschen Besatzer wissen von dem Geld. Der Krieg ist teuer und so haben sie den Philosophieprofessor und Schachspieler Dr. Gregor Lämmle (Klaus Maria Brandauer) auf die bildschöne Maria (Giovanna Mezzogiorno) angesetzt. Sie war Anfang der 30er-Jahre seine Studentin. Und seinen sexuellen Avancen abhold. Auch deswegen begibt sich Lämmle jetzt auf die Spur von Maria und ihrem Sohn. Das Spiel auf dem „Schachbrett des Lebens“ (Pressetext) beginnt.

Die deutsch-französisch-italienische Koproduktion versucht auf unglückliche Weise, Geschichte, Schach und Eros zu verquicken. Zugleich ist sie wohl ein dreistündiges (!) Geburtstagsgeschenk der ARD für Brandauer, der dieser Tage seinen 60. Geburtstag feiert – zwischendrin gibt’s die „Tagesthemen.

Seit seinem Hendrik Höfgen in „Mephisto“ 1981 hat der Österreicher Gefallen an edlen Ausstattungsfilmen und diabolischer Mimik gefunden: Auch „Im Visier des Bösen“ kommt in Umbra, Stahlgrau und Creme daher, die Gässchen der Provence sind eng, die Resistance-Kämpferinnen elfengleich, die Nazis schneidig. Ästhetik auf Kosten der Glaubwürdigkeit ist der Preis, den der Film zahlt. Und dann ist ein lebensweltlicher Synchrondialog bei drei koproduzierenden Ländern sowieso eine knifflige Sache.

Bei aller Betroffenheit – der Film ist eine Enttäuschung. „Man sieht nur mit dem Herzen gut“, lautet das überstrapazierte Zitat aus Saint-Exupérys „Kleinem Prinzen“. Man hätte es den Machern vorne aufs Skript drucken sollen. ANJA MAIER