: Ungarns „Populisten“ erwägen Parteigründung
Erster Kongreß in Budapest / USAP will Wahlvotum respektieren ■ Aus Budapest Roland Hofwiler
Am Wochenende hielt das Ungarische Demokratische Forum (MDF), die größte der zahlreichen unabhängigen Gruppierungen des Landes, in Budapest seinen ersten Kongreß ab. Im Mittelpunkt der Tagung stand vor allem die Frage, ob sich die „demokratische, geistig-politische Volksbewegung“, als die sich das MDF bei seiner Gründung im September 1987 vorstellte, in eine Partei umwandeln soll oder nicht. Am Sonntag deuteten Reden und Eingaben von über hundert Bezirksgruppen auf eine solche Umwandlung hin. Bei Redaktionsschluß war die Entscheidung der über 500 Delegierten, die 13.200 Mitglieder vertreten, noch nicht gefallen.
Verschiedene Redner schlugen vor, eine Partei zu gründen und dann in einer Koalition mit den bereits existierenden Parteien wie der Bauernpartei, der Sozialdemokratischen Partei und der Partei der kleinen Landwirte eine Koalition für die 1990 anstehenden Parlamentswahlen zu bilden. Daß diese frei sein werden, bestätigte auf dem oppositionellen Treffen Laszlo Major, Sprecher der regierenden „Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei“ (USAP) höchstpersönlich. Wenn seine Partei die Wahl verliere, beteuerte der kommunistische Gast, der den eingeladenen Parteichef Karoly Grosz vertrat, werde sie „ins zweite Glied“ zurücktreten.
Das MDF ging 1987 aus der illegalen Gruppe der „Populisten“ hervor, einer seit Jahrzehnten versteckt arbeitenden, losen Vereinigung, der so bekannte Schriftsteller wie Sandor Csoori, Istvan Csurka oder Gyula Fekete angehörten. Von der „demokratischen Opposition“ um György Konrad, Janos Kis und György Dalos als „Altherrenclub“ und „Angsthasen“ verschrien, achteten die Populisten in der Vergangenheit sehr darauf, „nicht als Opposition dazustehen“ (Fekete) und die von den Kommunisten gesetzten Grenzen nicht zu übertreten. Doch im Zuge der Liberalisierung wurden die Grenzen zwischen „Populisten“ und „Demokraten“ in der letzten Zeit zunehmend fließend.
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