: Ungarn will in die EG
■ Antall: EG-Beitritt Budapests bis 1995 realistisch / Austritt aus dem Warschauer Pakt soll gemeinsam mit Verbündeten gelöst werden / Wirtschaftshilfe aus Bonn erhofft / Staatsbeamte haben „nichts zu befürchten“
Budapest (adn) - Ungarns designierter Ministerpräsident, der Vorsitzende des bürgerlich-nationalen Demokratischen Forums, Joszef Antall, strebt einen EG-Beitritt seines Landes zwischen 1992 und 1995 an. Angesichts der „positiven Signale“, die er erhalten habe, sei dieser Zeitraum „realistisch“, sagte Antall in einem Gespräch mit der 'Süddeutschen Zeitung‘.
Er bekräftigte seine Ankündigung, Ungarn solle den Warschauer Pakt verlassen und neutral werden, sagte aber nicht, wie dieser Status konkret aussehen könnte. Die Frage der Neutralität werde nur gemeinsam mit den bisherigen Bündnispartnern gelöst.
Ungarn sei Teil des europäischen Sicherheitssystems und könne „weder dem Beispiel der Schweiz noch Österreichs“ folgen. Antall blieb damit hinter den Vorstellungen des bisherigen Außenministers Gyula Horn zurück, der bereits laut über einen Nato-Beitritt Ungarns nachgedacht hatte, schreibt dazu die 'Süddeutsche Zeitung‘.
Der Austritt sei „eine Frage historischer Tradition“ und der Bildung eines neuen europäischen Sicherheitssystems, fuhr der 58jährige Historiker fort. Eine „Paketlösung“, die den Austritt aus dem Pakt, den - bereits vereinbarten Abzug der sowjetischen Truppen bis Juni 1991 und die künftige Gestalt der ungarischen Streitkräfte beinhalte, zähle nun zu den wichtigsten Aufgaben der neuen Regierung. Zur Sowjetunion strebe die künftige ungarische Regierung korrekte Beziehungen an. Zu einer Moskau-Reise sagte Antall, er habe zwar noch keine Einladung von Gorbatschow erhalten und erwarte sie auch nicht vor der Regierungsbildung, doch wenn sie käme, würde er sie annehmen.
Er hoffe auf weitere Wirtschaftshilfe aus Bonn. Vor wenigen Tagen habe er „eine Stunde mit dem Bundeskanzler telephoniert“, dabei sei auch über dieses Thema gesprochen worden.
Angesprochen auf ein Wahlplakat, mit dem das Forum unter dem Bild einer von Abfall umgebenen überfüllten Mülltonne ein „Großreinemachen im Frühling“ angekündigt hatte, betonte Antall, Fachleute in dem von den Kommunisten hinterlassenen Staatsapparat hätten nichts zu befürchten. „Die neue Regierung braucht sie.“ Gleichzeitig sollten freilich „neue Leute in die Verwaltung“ geholt werden, doch müsse sich dies alles im gesetzlichen Rahmen abspielen. Die politische Wende drücke sich im Regierungswechsel aus. An die Stelle der alten Minister und Staatssekretäre träten neue. Und die Besetzung der Selbstverwaltungsorgane werde sich nach der Kommunalwahl im Herbst ändern.
Antall, der im Wahlkampf immer wieder das BRD-Modell sozialer Marktwirtschaft als beispielhaft bezeichnet hatte, betonte, seine Regierung wolle Marktwirtschaft und Privatisierung mit sozialer Sicherheit für die von den Folgen des Strukturwandels Betroffenen verbinden.
Warschau (dpa) - Durch die drastische Wirtschaftsreform haben die polnische Regierung und die Gewerkschaft Solidarität stark an Popularität verloren. Solidarität-Chef Lech Walesa hat nach der Umfrage die meisten Punkte verloren. Während ihn im November 1989 noch 90 Prozent der Befragten unterstützten, waren es im März dieses Jahres nur noch 56 Prozent. „Tabellenführer“ ist Mazowiecki (93 Prozent im November und 85 Prozent im März). Es folgen die katholische Kirche (November 82, März 74 Prozent) und das Abgeordnetenhaus (November 85, März 59 Prozent). Die Beliebheit der Regierung ist von 83 Prozent im November auf 49 Prozent im März gefallen.
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