: Unereignis Albertville
■ Für die US-Fernsehgesellschaft CBS wird Olympia in Albertville aller Voraussicht nach ein finanzielles Debakel
New York/Albertville (dpa) — In Albertville gehen die olympischen Geschäfte ganz gut, doch der amerikanische TV-Gigant CBS zittert um viele Millionen. 243 Millionen Dollar kosteten die Übertragungsrechte von den Olympischen Winterspielen, aber schon vor der ersten Medaillenvergabe wird von einem 60-Millionen-Dollar-Verlust gesprochen. Und das, obwohl erstmals in der US-amerikanischen Fernsehgeschichte Olympia auch auf Kabel zu sehen ist.
Winterspiele aber sind in den USA eher ein Unereignis. Richtiges Interesse besteht eigentlich nur am Eiskunstlaufen. Und da hat sich CBS mit Katharina Witt als Kommentatorin die größte Show-Nummer gesichert. Andererseits droht dem ganz auf Einschaltquoten angewiesenen Sender zusätzliche Gefahr durch fehlenden Erfolg. Dem US-Team wird von Experten ein schwaches Abschneiden wie niemals zuvor vorausgesagt.
„Olympia ist eine Prestigesache und sicher eine Investition. Es geht schließlich auch um die Promotion anderer Sendungen“, meinte CBS- Chefregisseur Mike Pearl, „aber es ist sicher für alle Beteiligten besser, daß die Spiele bald im Zwei-Jahres- Rhythmus stattfinden werden.“ Die mächtigen Sportpräsidenten der Networks CBS, ABC und NBC spielten bei der Zyklus-Änderung eine entscheidende Rolle. Alle drei haben dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) klargemacht, so wesentlich mehr Geld für die Übertragungsrechte ausgeben zu können. Einmal Olympia alle zwei Jahre, so Pearl, sei viel besser, weil alle Networks mit vollen Händen mitbieten und so die Preise in die Höhe schrauben können. Zweimal Olympia im gleichen Jahr sei bei den heutigen Preisen nicht mehr machbar.
Für CBS kommt das Risiko Albertville dagegen zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. 1,06 Milliarden Dollar hatte der Sender dafür bezahlt, vier Jahre lang exklusiv Major League Baseball zeigen zu dürfen, muß sich aber bereits jetzt, mehr als ein Jahr vor Ablauf des verrückten Vertrags, mit einem Verlust von einer halben Milliarde Dollar auseinandersetzen. Mehrere hochbezahlte Regisseure bangen vor der neuen Saison um ihren Job.
116 Fernsehstunden bietet CBS aus Albertville an. Rekord. Dafür mußten insgesamt 800 Angestellte nach Frankreich reisen. 200 weitere wurden vorort angeheuert. „Es ist furchterregend“, meinte Pearl, „aber selbst kleine Pannen können wir uns eigentlich nicht leisten.“ Wie sehr der Sender unter Sparzwang steht, wird im Fernsehzentrum in Moutier sichtbar. Dort verzichtet CBS in seinen kargen Räumlichkeiten nicht nur auf Teppichboden, sondern auch auf Farbe an der Wand.
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