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Undinge: Mähdrescher Von Claudia Kohlhase

Mähdrescher sind Flegel. Daher der Name Dreschflegel. Dreschflegel dreschen auf das arme Korn ein, daß einem übel wird beim Zukukken. Außerdem grüßen sie nicht, sondern dreschen nur. Okay, das Feld ist groß, der Horizont weit – da muß man sich natürlich sputen. Und Sensen ist keine Alternative. Aber nur, wer jemals einen Mähdrescher auf sein Frühstück zufahren sah, vor allem auf das extrem glückliche Ei, kann beurteilen, was ein Mähdrescher ist.

Ein Mähdrescher ist ungefähr eine Skandinavien-Fähre, bloß etwas rustikaler oder auch ruraler oder frugaler, wenn man sieht, was hinten dabei rauskommt. Und dann natürlich mit Rädern statt Flossen. Aus der Heckklappe flitzt das zerfledderte Stroh, als wenn's gestengelte Scheiße wäre, und irgendwo dazwischen bleiben die Körner auf der Strecke. Wo andere Fähren einen Bug haben, hat der Mähdrescher seinen Dreschflegel, aus mimischen Gründen in Form einer Flegelwalze. Und gesetzt den Fall, du bist einer jener letzten Strohhalme, die am Leben hängen und an die sich auch noch andere klammern: Zack, seid ihr ebenfalls derart niedergemäht, daß auch die letzten aufrechten Mäuse verzweifeln und sich vorauseilend vor die Walze werfen.

Ich als Weizen würde aber schon beim Anblick eines Mähdreschers tot umfallen. Ich meine – wär's denn nicht auch eine Nummer kleiner gegangen? Kann denn nicht auch ein Mähdrescher mal in irgendeiner Designklasse einer Kunsthochschule, von mir aus mit Colani als Gastprofessor, neu durchdacht werden? Allein diese ganze Eckigkeit überall! Diese grauenhafte Linienführung! Und dann noch dieses Saugrohr, das in die Landschaft absteht wie ein atavistischer Standrüssel! Aber der Mähdrescher ist ein Machtinstrument und will ein Machtinstrument sein; wo ein Mähdrescher auftritt, wächst kein Gras mehr und soll kein Gras mehr sein. Gott sei Dank wohnt hier keine Ramafamilie, die in den Verwirbelungen eines Mähdreschers glatt vom Glaubenstischtuch abfallen würde. Aber Ramafamilien mitten im Auge der Verwirbelungswindhose wäre schon mal ein Bild, das ich gerne sehen würde. Wohin tut eine Ramafamilie zum Beispiel solange ihren nach oben hin offenen Orangensaft? Ich glaube, Mähdrescher fänden derartige Familien gar nicht so übel.

Wenn ein Mähdrescher ausbricht, kommt er aber bloß bis zur Landstraße. Da holen ihn sofort die nächsten Mähdreschtermine ein, also hastet er pflichtbewußt wieder heim. Das einzig Nette an der Breite eines Mähdreschers auf einer Landstraße ist, daß dann auch die S-Klasse von Mercedes anhalten muß und nicht weiß, wohin solange mit dem S. Sogar die neue E-Klasse hält und sieht so aus, als wenn sie Heuschnupfen hätte und Triefaugen, dabei sind das die neuen Scheinwerfer.

Im Stirnglas des Mähdreschers sitzt der Bauer oder sein Bauernsohn, der nicht grüßt. Wenn er mäht, dann mäht er eben, daß die Schwarte kracht. Wie so ein kleiner Bauer hoch oben so einen Mähdrescher bis tief unten dreht und wendet, das machen ihm nur noch die Skandinavienfähren-Kapitäne nach, die ihre Skandinavien-Fähren auf dem Teller drehen. Auf dem Felde nennt man so was manövrieren; und nicht mehr lange wird es dauern, bis auch die Mähdrescher untergehen können.

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