: Undercover-Trinker im Staatsdienst Von Ralf Sotscheck
Manchmal funktioniert es, ein anderes Mal geht es völlig schief. Unterhaltsam sind die Undercover- Operationen der irischen Polizei aber allemal. Neulich wollte man eine berüchtigte Bande Dubliner Drogenhändler schnappen. Zu diesem Zweck hatte die Polizei eine Sondereinheit als Mafiosi getarnt, die auf dem internationalen Markt eine Ladung Cannabis erstanden. Die Beamten übernahmen die erworbenen Drogen von einem Frachter, der vor der irischen Südküste ankerte. Es sei wie in einem Hollywood-Film gewesen, sagte einer der beamteten Drogenschmuggler: „Das Schiff war hell erleuchtet, aus den Lautsprechern tönte laute Musik. Auf Deck liefen Leute mit Strumpfmasken und Maschinenpistolen herum.“
Zurück an Land lud die Polizei die Ware in einen Lastwagen um, stellte ihn als Köder an der Hauptstraße nach Dublin ab und harrte der Dubliner Drogendealer. Die hatten freilich längst Wind von der Sache bekommen und blieben zu Hause. Schließlich blies man die Aktion ab, informierte Presse und Fernsehen und „entdeckte“ mediengerecht das Cannabis im Wert von umgerechnet 300 Millionen Mark – ehrlich bezahlt von Steuergeldern.
Es war die größte Menge, die jemals nach Irland geschmuggelt worden war. Die Justizministerin lobte die Aktion als „beispielhaft im Kampf gegen Drogen“. Dann flog die Sache auf. Nun verordnete die Ministerin Stillschweigen über die Sache, weil das Gerede nur den Dealern nütze. Die Polizeitäter nickten dankbar.
Bei einer anderen Operation hatte man mehr Glück, und die Verbrecher gingen einem Undercover-Polizisten ins Netz. Die Tat hatte sich auf Inis Oirr ereignet, der kleinsten Aran-Insel vor der Westküste. Sie ist so klein, daß es dort keine Polizei gibt. Für Recht und Ordnung ist das Revier auf der Nachbarinsel Inis M'or zuständig. Bis auf die Verletzung der Sperrstunde passiert nicht viel auf Inis Oirr – das aber dafür jeden Abend. Die drei Kneipiers versorgen die 300 Inselbewohner mit Flüssignahrung bis zum Abwinken.
Nachzuweisen war ihnen das bisher nicht: Immer wenn ein Polizist mit dem Boot von der Nachbarinsel angetuckert kam, lag Inis Oirr im Handumdrehen im Tiefschlaf. Das wurmte die Beamten, und so schmiedeten sie einen genialen Plan.
Sie tarnten einen der ihren als Rucksacktouristen und setzten ihn heimlich auf der Insel aus. Der Beamte, Sean McCole, baute sein Zelt auf und machte sich auf den Weg zu den Kneipen, wo er weit jenseits der Polizeistunde fröhlich zechte. Nachdem er in den drei Pubs genügend Beweismittel konsumiert hatte, ging er zu seinem Zelt, zog sich seine Uniform an und stürmte zurück an den Ort der Verbrechen. Gegen halb drei traf er bei der letzten Kneipe ein, wo die Trunkenbolde noch immer ihrem Laster frönten.
Jetzt wurden die drei Wirte zu Geldstrafen zwischen 30 und 200 Pfund verurteilt – je nach Anzahl der illegalen Trinker. Einer verteidigte sich vor Gericht: „Jeder Mensch weiß doch, daß es keinen Polizisten auf der Insel gibt. Deshalb lachen mich die Gäste einfach aus, wenn ich sie vor die Tür setzen will.“ Die Justizministerin gab bekannt, daß der beherzte Beamte künftig in der Drogenfahndung eingesetzt werden soll.
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