■ Cash & Crash: Und wieder geprellt
Moskau (AFP) – Die Russen werden nun auch beim einzigen „richtigen“ Geld im Lande betrogen – dem US-Dollar. Genauer: bei den Hundertdollarnoten. Die werden aus dem Verkehr gezogen, weil die US- Notenbank im September einen neuen Schein vorstellte. Dieser soll die alten „Greenbacks“ ersetzen. Sie waren zu leicht zu fälschen, was in Osteuropa die Farbkopierer heißlaufen ließ. Zwar machte US-Finanzminister Robert Rubin darauf aufmerksam, daß die alten Scheine noch mehrere Jahre gültig sein würden, doch ungeachtet dessen greifen die Banken zwischen St. Petersburg und Wladiwostok den Besitzern der russischen Schattenwährung in den Geldbeutel.
Die russische Zentralbank hat sich ganz besondere Regeln einfallen lassen, um die Eintauschaktion ab Ende Januar zu begleiten: Die Geschäftsbanken des Landes wurden angewiesen, zwei Prozent Kommission auf jeden Schein einzubehalten. Für jeden alten Hundertdollarschein gibt es demnach nur 98 Dollar zurück. „Ich will kein Geld verlieren. Ich will mein Gehalt in kleinen Scheinen bekommen“, sagt die 30jährige Elena, die als Angestellte einer Werbeagentur ihren Lohn in Dollar erhält – wie viele Angehörige der neuen städtischen Mittelklassse.
„Das ist nicht das erste Mal, daß der Staat uns absurde Bestimmungen auferlegt. Das findet sich in keinem anderen Land der Welt“, ärgert sich Dimitri Fronin, der in einer Wechselstube arbeitet. „Was passiert? Bald gibt es keine kleinen Scheine mehr.“ Tatsächlich haben die Russen, die lieber einen Sparstrumpf als ein Bankkonto führen, unangenehme Erinnerungen an die Ausgabe neuer Geldscheine. 1992 ersetzte die Regierung von einem auf den anderen Tag die Scheine für 50 und 100 Rubel und ließ der Bevölkerung ganze drei Tage, die alten Scheine einzutauschen. Zahlreiche Rentner, die nicht rechtzeitig zur Stelle waren, wurden um ihre Ersparnisse gebracht.
Ein Jahr später wiederholte sich beim Ersatz der „sowjetischen“ Noten durch russische die Prozedur. „Unser Volk hat besondere Erfahrungen machen müssen. Ich befürchte eine Panik, lange Schlangen vor den Wechselschaltern und viele unzufriedene Leute“, erläutert ein Banker, der es vorzieht, anonym zu bleiben.
Die Zentralbank und die Geschäftsbanken verteidigen sich gegen die Kritik aus dem Volk. Die zweiprozentige Kommission sei weniger, „als andere Banken auf der Welt nehmen“, rechtfertigt sich Alexander Chandrujew, Vizepräsident der Moskauer Zentralbank. „In einer freien Marktwirtschaft dürfen die Banken schließlich Gewinne machen.“ Piotr Tolstoi
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