HAMBURGER SZENE VON UTE BRADE : Und warum?
Es regnet. Es ist kalt, es ist dunkel und es ist grau. Die einzigen Farbkleckse auf meinem Weg nach Hause sind die paar Graffiti und Kritzeleien an der hellgrauen Häuserwand, die sich neben mir entlangzieht. Und der kleine Junge, mit der roten Jacke, der grünen Pudelmütze und der rötlich-leuchtenden Laterne in der Hand.
Farbenfroh hängt der Kleine an der Hand seiner Mutter und fragt ihr Löcher in den Bauch, typische Warum?-Fragen, wie sie Kinder so umtreiben. Warum dieses, warum jenes. „Warum müssen wir so weit laufen?“, fragt er jetzt zum Beispiel und lässt trotzig seine Laterne schwingen, von links nach rechts, immer doller.
Da hat plötzlich etwas anderes seine Aufmerksamkeit geweckt, und die Laterne plumpst zu Boden. Er bleibt vor etwas an die Wand Gesprühtem stehen. „I am“, steht da und daneben irgendein verschnörkelter Sprayername. Nicht wirklich Kunst, schnell hingeschmiert.
„Was heißt das?“ fragt der Junge seine Mutter. „Ich bin“, antwortet sie und lächelt irgendwie milde. „Aha“, sagt er. Und fragt dann: „Und was bedeutet das?“ Die Mama wird etwas unwirsch: „Du, Schatz, das bedeutet gar nichts“, sagt sie ungeduldig. „Wirklich gar nichts! Die sprühen da immer irgendeinen Quatsch drauf!“ Verdutzt schaut der Kleine die Wand an, dann seine Mutter. „Und warum?“