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Prêt-à-porterUnd abends Ohrfeigen

■ Watanabes Tuschkasten-Ausbeute, Flattern und Wehen bei van Noten und präzise Beulen bei Comme des Garçons

Am Freitag morgen das ersehnte „Päng!“. Um neun Uhr in der Früh zeigte Junya Watanabe seine Kollektion. Mit Einsetzen der Musik marschierten auf einen Schlag fünfzehn Models in den Saal. Zuerst sah man nur Farben, leuchtend wie aus dem Tuschkasten: Kobaltblau, Orange, Zinnoberrot, Sonnengelb. Das Material: ein schimmernder, etwas zerknitterter Synthetikstoff, transparent, aber trotzdem eher steif als fließend.

Übereinandergetragen kamen da etwa zusammen: rote schmale Hose, rosa Hemd und darüber ein trapezförmiger himmelblauer Hänger. Dann folgten gedecktere Farben, als wäre unter das Rosa, Grün und Blau Kreide gemischt worden. Die Kleider waren sehr einfach geschnitten, gerade oder leicht ausgestellt, und reichten nicht ganz bis zu den Knien. Strukturiert wurden sie hauptsächlich durch die Nähte, die eher der Dekoration als der Form dienten. Die sichtbaren Abnäher auf der Innenseite bildeten geometrische Muster unter dem Kleid. Es ging eine unbezwingbare Heiterkeit von diesen Kleidern aus, von diesen leuchtenden Synthetikstoffen, die einmal aussahen wie Fliegerseide, dann wie japanisches Reispapier oder wie unsere großen blauen Müllsäcke, nicht die ganz dicken, sondern die dünnen.

Ich war spät dran für Dries van Notens Schau und achtete nicht genau auf das Gebäude, in dem die Kollektion vorgeführt werden sollte. Auf dem Weg durch die gekachelten Gänge, die merkwürdigerweise mit „femme“ und „homme“ gekennzeichnet waren, stand mir plötzlich ein junger Mann in Badehose gegenüber. Noch mal um die Ecke, und ich stand – in einer Schwimmhalle. Die Zuschauer wurden in das große – leere – Becken gebeten, wo winzig kleine Campingstühle aufgestellt waren.

Van Noten zeigte weite Hosen, schmale, unten ausschwingende Röcke und in Bahnen zugeschnittene Kleider aus dünner Baumwolle oder Seide in verschiedenen Grautönen, Schwarz und Weiß. Die Kleider waren durch die Bahnen zwar den Körperlinien nachgeformt, lagen aber nicht eng an. Man könnte so ein tailliertes Kleid bequem auf dem Körper herumdrehen.

Über den Kleidern und Röcken lag oft noch eine zweite, durchsichtige Schicht aus Chiffon oder Baumwollcrêpe, alles ein großes Wehen und Flattern. Leger, aber nicht unförmig, da sich die Körper unter den dünnen Stoffen deutlich abzeichneten. Besonders gefiel mir die Kombination aus Hosen mit Bügelfalte und einem langen Hemd aus durchsichtiger Baumwolle, das mit drei Knöpfen geschlossen wurde und vorn offen bis um die Knie flatterte, eine kuriose Mischung aus Anzug und modernem Negligé.

Abends dann die Ohrfeige von Comme des Garçons. Der größte Teil der Kollektion bestand aus Kleidern und Röcken aus einem sehr dünnen T-Shirt- Stoff. Hier glänzte überhaupt nichts. Schon die Farben waren ein Schlag. Die Kleider waren bunt wie Harlekinkostüme. Verschiedenfarbige Kreise, Vierecke und wellenlinige Streifen waren so zusammengenäht, daß kein Kleid „saß“.

Es gefiel mir nicht, aber man muß gesehen haben, mit welcher Meisterschaft Kawakubo diese völlig unterschiedlich geformten Stoffteile zusammengenäht hat, um zu bewirken, daß ein Kleid irgendwo zipfelte, an einer völlig unerwarteten Stelle eine Falte warf oder irgendwie beulte. Und ich schwöre bei meiner Seele, daß es genau dort beulte, wo sie es wollte. Es ist mir unmöglich, das häßlich zu nennen, denn ich empfand sehr stark, daß ich keine Ahnung habe, was Schönheit ist. Als ich rausging, fühlte ich mich wie ein stumpfsinniger Trottel. Anja Seeliger

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