■ Standbild: Unbescholtene kleine Erdäpfel
„Abenteuer Big Apple – Österreichische Lehrer in New York“, Fr., 21 Uhr, 3sat
Resigniert sieht er am Wolkenkratzer hoch und versteht kein Wort: Wacklige Bilder eines fahlgesichtigen Mannes, die Aktentasche voll miserabler Klassenarbeiten, der schließlich niedergetrampelt wird von den Menschenmengen – am Times Square. Falco singt „Amadeus, Amadeus“, während die Kamera einen ehemaligen Salzburger Magister filmt, der Obdachlose unter der Brooklyn Bridge mit Kaiserschmarrn versorgt. Ein nächtlicher Besuch beim feschen Ex-Skilehrer Toni aus dem Stubaital, heute drogensüchtig und Liftboy im legendären Chelsea Hotel. Poetische Bilder einer transsexuellen Hofreitlehrerin, die in Greenwich Village die erste Analbar New Yorks eröffnet hat. Eine spektakuläre Kamerafahrt durchs verschneite Chinatown, wo eine verwirrte 55-jährige Pazifistin aus Granz mit nur einem Leiberl bekleidet zu „zero tolerance“ gegenüber Briefbomben aufruft. Und Manfred Deix stellt lehrreiche Zeichnungen von birnenförmigen US-Hintern bei Leo Castelli aus ...
Großer Apfel meets kleinen Erdapfel – wie viele Freunde ethnologischer Eigentümlichkeiten mag der Titel „Österreichische Lehrer in New York“ wohl geködert haben? Doch ach, entpuppte sich das aussichtsreiche TV-Highlight doch nur als sittsamer Beitrag über eine Gruppe unbescholtener Mathe-, Physik- und Biolehrer, tüchtige junge Leute aus Österreich, die von tüchtigen älteren Leuten aus New York ausgesucht worden waren, ein Jahr lang an blankgewienerten New Yorker Schulen zu lehren. Keimfreie Aufnahmen vom Central Park im Frühlingsgrün und gütig blinkende Leuchtreklamen illustrierten die Untadeligkeit des Unterfangens. Schulpolizisten hielten frisch geputzte Zahnreihen in die Kamera und friedvolle Schüler lobten fleißig die Fremdlinge. So schmackhaft war der Schmelztiegelbrei, dass acht Abenteurer gar nicht mehr zum Heurigen zurückfanden – und womöglich bald eine Analbar eröffnen? Monie Schmalz
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