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Unbekannte Stars des Wortes

■ Koreanische Autoren und Autorinnen stellen sich vor

Trotz der deutschen Übersetzungsfreude gibt es Literaturen, die große oder kleinere Unbekannte bleiben. Die koreanische Literatur zum Beispiel, die nie in Mode kam wie die japanische. Neben der eigenen phonetischen Buchstabenschrift und der Sprache an sich, die mit keiner verwandten Sprache verwandt zu sein scheint, war vielleicht die bis heute immer mal wieder prekäre Situation zwischen Nord- und Südkorea auch dafür verantwortlich.

Mit Südkorea, seit den Umwälzungen von 1987 und der Olympiade von 1988 deutlicher im westlichen Bewußtsein, hat sich dabei in den letzten Jahren längst ein reger schriftstellerischer Austausch etabliert, der das Wissensmanko, das auf beiden Seiten besteht, beseitigen soll. Da gibt es in Seoul ein koreanisch-deutsches Literaturprogramm, und zahlreiche deutsche Autoren waren schon dort. Im Gegenzug besucht eine koreanische Autorengruppe jetzt die Bundesrepublik, war schon im literarischen Kolloquium in Berlin zu Gast und stellt sich heute Abend in der Zentralbibliothek vor: zwei Lyriker (Hyong-Jong Chong und Kwang-Kyu Kim), eine Erzählerin (Jung-Hee Oh), ein Erzähler (Chul-Woo Lim) und ein die Reisenden vorstellender Kritiker (Saeng-Keun Oh).

„Diese Autoren mögen hier ganz unbekannt sein“, meint Erika Werner, Lektorin für Schöne Literatur an der HÖB, „doch in Korea kennt man sie. Da hier natürlich fast nichts übersetzt war, sind extra für diese Vorstellung Texte ins Deutsche übertragen worden.“ Auch für die Mitveranstalterin Werner, die ihre Veranstaltungsarbeit für die HÖB nach jahrelangen großen Erfolgen eigentlich schon eingestellt hatte, waren die Texte, die Stile der zwischen 1939 und 1954 geborenen Koreaner eine Entdeckung.

Von den surrealistischen Bilderwelten Hyong-Jong Chongs über die Alltagsgedichte und die „Ökolyrik“ Kwang-Kyu Kims, die eher politischen Texte Chul-Woo Lims, der als Beteiligter den Studentenaufstand gegen die Militärdiktatur als prägend erlebte, bis hin zu den manchmal als „Frauentexte“ eingestuften Erzählungen Jung-Hee Ohs, die das eintönige Leben des Kleinbürgertums beschreiben, ist das Spektrum zeitgenössischer koreanischer Literatur flächendeckend vertreten.

„Die Koreaner wollten keine Übersetzer für die Veranstaltung“, erklärt Erika Werner, „sie wollten lieber Partnerschriftsteller, deutsche Autoren, die an diesem Abend aber gar nicht selbst als Schriftsteller in Erscheinung treten, sondern als Vermittler.“

Gewonnen wurden der Siegener Germanist und Autor Karl Riha, einer der Motoren des koreanisch-deutschen Austauschs, der Schriftsteller Burkhard Spinnen, der ebenfalls schon in Seoul gelesen hat, die Korea-Koryphäe der Hamburger Uni, Werner Sasse – und Hermann Peter Piwitt, dessen Korea-Erfahrungen sich allerdings auf den Besuch des Flughafens von Seoul beschränken, den er wegen Visa-Problemen mit dem nächsten Flieger in Richtung Deutschland wieder verlassen durfte. Austausch ist eben doch nicht immer ein leichtes Geschäft.

Thomas Plaichinger

Heute, 19.30 Uhr, Zentralbibliothek, Große Bleichen 27

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