■ Neuer Verfassungsschutz-Chef: Unauffällig
Für „politisches Wunschdenken nach der einen oder anderen Richtung“ lasse das Gesetz keinen Raum, meinte gestern der neue Verfassungsschutz-Chef Eduard Vermander bei seiner Amtseinführung. Derart feinsinnig orakelte der 58jährige Berliner schon als Polizeipräsident in Stuttgart. Bei seinem Abgang fiel der Stuttgarter Zeitung nur die bitterböse Frage ein, wer denn dieser Vermander überhaupt gewesen sei. Kaum mehr als die Tatsache, daß er Partys liebte und ansonsten wie das scheue Reh die Öffentlichkeit mied, konnte das Blatt nicht vermelden. Vermander, so scheint es, ist für das hiesige Amt genau der Richtige: Bloß nicht auffallen. Wenn ihm das gelingen sollte, hätte der studierte Jurist schon allerhand geleistet. Denn wie kaum ein anderer Geheimdienst der Bundesrepublik versorgte der Berliner Verfassungsschutz die Öffentlichkeit regelmäßig mit schönsten Skandalgeschichten. Wo doch, so die erste Regel eines Schlapphuts, Konspiration das Wichtigste sein sollte. Das Amt war in seinem Dilettantismus so spektakulär, daß jede ernsthaft gemeinte Verwaltungsreform allein schon unter betriebswirtschaftlichen Aspekten als erstes hier den Rotstift ansetzen müßte. Nun sind das – leider – antiquierte Vorstellungen aus jenen Zeiten, als noch die Grünen die Überflüssigkeit solcher Papiertiger auf ihre Fahne schrieben. Noch bevor Vermander in seinem Arbeitszimmer Platz genommen hatte, wurde er mit dem neuesten Versorgungsfall behelligt. Weil die SPD ihren Senatsrat Dieter Senoner als Stellvertreter in die CDU-lastige Behörde schickt, verteidigt der jetzige Inhaber Müller seinen Erbhof nun mit Hilfe der Gerichte. Insofern ist Vermander vielleicht sogar der Falsche: Je mehr Skandale, um so schlechter steht es um die Spitzel-Aufgabe, um so mehr Nutzen hat die Gesellschaft. Severin Weiland
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen