: Umzug zum Volksverhetzer
Der Auszug dreier Jung-Nazis aus dem Heisenhof im niedersächsischen Dörverden ist bloß ein Teilerfolg. Unterschlupf gefunden haben sie bei einem Holocaust-Leugner in der Kreisstadt Verden
von Andreas Speit
Diese Kosten wollten sich die Neonazis auf dem „Heisenhof“ in Dörverden sparen. Statt wegen illegalen Wohnens in dem Neonazizentrum ein Zwangsgeld zu zahlen, nahmen sie eine offizielle Wohnsitz-Änderung vor. „Die drei Bewohner haben sich umgemeldet“, berichtet Roland Butz, stellvertretender Oberkreisdirektor in Verden. Sonst hätten sie jeweils 3.000 Euro Strafe zahlen müssen.
„Wir sehen das als einen Teilerfolg“, betont Butz. Die Auflage des Landkreises untersage den Neonazis jedoch nicht, sich stundenweise auf dem Gelände aufzuhalten. Sporadisch dürfen sie auf dem Anwesen, das der Hamburger Neonazianwalt Jürgen Rieger für die „Wilhelm-Tietjen-Stiftung“ erworben hat, auch übernachten. Erst wenn es dort wieder Anzeichen für dauerhaftes Wohnen gäbe, könne der Landkreis einschreiten. „Das werden wir jetzt aber sehr genau beobachten“, so Butz.
Der Landkreis befürchtet dennoch, dass sich Rieger und seine Kameraden langfristig ansiedeln. Die nötigen Bauanträge für die Mischnutzung des Heisenhofs – Wohnen, Tagungen und Fruchtbarkeitsforschung – liegen vor. „Die Prüfungen laufen“, so Butz. „In zwei Monaten müssten die Entscheidungen getroffen sein“. Baurecht sei aber „nicht das richtige Mittel, um gegen eine Gesinnung vorzugehen“.
Verdens Polizeichef Axel Rott scheint das anders zu sehen. Er verweist aufs Bauamt und warnt: „Wenn die Genehmigungen für die Maßnahmen vorliegen, wird Herr Rieger sich hier festsetzen.“ Schließlich sei nicht zu erwarten, dass Rieger dieselben Fehler wie beim Heisenhof-Vorgänger-Projekt „Hetendorf 13“ begeht. Dessen Schließung konnte die Innenbehörde seinerzeit verfügen, weil dort Straftaten begangen worden waren. Die Polizei, so Rott weiter, könne nur einschreiten, wenn „ein konkreter Verdacht für eine Straftat“ vorläge.
Eine nachvollziehbare Rechtslage. „Aber die Polizei ist kaum vor Ort“, schimpft ein Dörverdener, „wie wollen sie denn da etwas verdächtiges beobachten?“ Eine andere Nachbarin des Heisenhofs bestätigt den Eindruck, und erinnert daran, dass die Polizei extra zwölf Beamte mehr bekommen habe. Rotts Verteidigung: Ermittelt werde nicht nur vor Ort. Den Anwohnern zufolge scheint das sogar die Ausnahme zu sein: „Bisher musste die Polizei doch immer erst gerufen werden, wenn die Heisenhofer wieder was gemacht haben“. Deutlich abnehmen dürften die Aktivitäten der „Heisenhofer“ und ihrer Geistesbrüder in der Region durch den überraschenden Auszug nicht: Die drei Jung-Kader haben ihren neuen Wohnsitz bei einem frisch Verurteilten Verdener angemeldet. Noch am Montag hatten sie zu Gunsten ihres neuen Vermieters, Rigolf Hennig, vor dem Landgericht Verden ausgesagt. Genutzt hat es ihm nicht: Der 70-Jährige, der in einem Beitrag für das Heftchen „Der Preuße“ den Holocaust geleugnet hatte, wurde wegen Volksverhetzung zu einer Geldstrafe verurteilt.