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Umverteilen für eine solidarische Welt

■ Der Konflikt zwischen Reichtum und politischem Anspruch oder: Wie sich ein Linker aus der Berliner Alternativszene durch Gründung einer Alternativen–Stiftung von seiner ererbten Millionen–Last befreit / Primär ein „internationalistisches“ Selbstverständnis, dennoch reichlich Geld für die deutsche Projektszene

Aus Berlin Gerd Nowakowski

Ulf. M. ist ein scheuer Mensch. Rummel um seine Person mag er nicht, telefonisch ist er nicht zu erreichen; in der Alternativszene Berlins ist er, der zu allen Jahreszeiten mit seiner blauen Latzhose und dem schrottigen Fahrrad unterwegs ist, dennoch eine bekannte Erscheinung. Nicht nur wegen seiner freundlichen Art, sondern vor allem wegen eines Problems, das für ihn „von Anfang an eine Belastung“ war: Ulf M. ist vielfacher Millionär. Jetzt ist der rigoros spartanisch lebende Ulf die Belastung los, und die Szene hat eine heiße Geldadresse: Ulf M. hat 30 Millionen Mark aus dem Verkauf der väterlichen Pharmafabrik in die alternative Stifung „Umverteilen - für eine, solidarische Welt“ eingebracht, die jetzt ihre Arbeit aufnahm. Gezielte Projektförderung Jahrelang war Ulf als Mäzen und Kreditgeber aus schlechtem Gewissen und besten Absichten in der Szene bekannt (taz vom 15.10.85, Serie: Linke Erben). Denn auch schon vor dem im letzten Jahr erfolgten Verkauf der väterlichen Firma „tröpfelte“ die jährliche Dividende und versickerte in diversen Projekten guter und schlechter Freunde, denen Ulf nichts abschlagen mochte. „Wenn mich jemand fragte: kannst du mir nicht mal 1.000 Mark für den Urlaub geben, konnte ich doch nicht sagen: Dann mußt du halt für den Urlaub arbei ten gehen. Ich dachte immer, der kann nicht in den Urlaub fahren und ich kann es jederzeit.“ Bewegte sich die Dividende in der Vergangenheit noch unterhalb der Millionengrenze, drohte nun eine Millionen–Lawine, der sich Ulf nicht aussetzen mochte. Mit Hilfe eines kleinen Freundeskreises wurde in einjähriger Vorarbeit an der Stiftung gewerkelt, die sich vor allem als „internationalistisch“ begreift. Die deutsche Alternativbewegung profitiert dennoch von dem Geldregen. Denn schließlich müssen die 30 Millionen angelegt werden, damit jährlich 1,5 Millionen Mark an Zinsen ausgeschüttet werden können. Und weil der Gründerkreis weder profitable Rüstungsaktien kaufen noch Süd–Afrika–Banken unterstützen wollte, wird das Geld langfristig in bestehenden Projekten angelegt: da gibts zwar weniger Zinsen, aber die Finger bleiben sauber. Entschuldet oder gekauft werden konnte inzwischen mit dem Geld das Berliner Alternativ–Zentrum „Mehringhof“ und ein Haus für das „Bildungs– und Aktionszentrum 3. Welt“; in Freiburg wurde der Kauf der „Spechtgasse“ finanziert, in Frankfurt das Selbsthilfezentrum „Krebsmühle“, das vorher dem „Neue Heimat“–Bäcker Schiesser gehörte und der „Werkhof“ Ottensen. Das Geld sei zu „schärferen Bedingungen als bei der Bank vergeben worden“, wird bei der Stiftung versichert. Man werde auch nicht davor zurückschrecken, Au ßenstände knallhart einzutreiben. Denn von den Tilgungsraten lebt schließlich die Stiftung. Was passiert, wenn ein Projekt aber wirklich zahlungsunfähig wird, mag man sich derzeit nicht vorstellen. Das ehemals besetzte „Kerngehäuse“ in Berlin, ein Gebäudekomplex mit Wohnungen und Werkstätten, ebenfalls mit 600.000 Mark unterstützt, hat eine Sondervereinbarung: die Zinsen gehen direkt nach Nicaragua. Der Aufbau der Stiftung ist bestimmt von einer Struktur von Arbeitsgruppen, deren Vertreter jeweils ehrenamtlich den Vorstand und Stiftungsrat bestücken. Leicht gemacht haben es sich die Gründer nicht mit der Satzung. Die bekannte Mischung aus angestrebter Basisdemokratie, Szene– spezifischer Machtparanoia und Sorge vor einem möglichen Durchmarsch einzelner Politgruppen hat nach Aussagen von Beteiligten die Diskussion bestimmt und führte zum Ausstieg einiger Gründer. Entsprechend kompliziert ist die Satzung ausgefallen; vieles wird von Vorstand und Stiftungsrat gemeinsam entschieden. Nach Ulfs Worten ist dies nicht Ausdruck tiefen Mißtrauens zwischen den Gründern, sondern nur für den „Notfall“ gedacht. Die Satzung sei eine „Balance zwischen der persönlichen Verantwortung der Vorständler und den autonomen Arbeitsgruppen“, die das ihnen zugestandene Jahres–Budget nach Freigabe durch den Stiftungsrat selbständig verteilen, erläutert Vorstandsvorsitzende Heike Brandt. Sie wie alle anderen Aktiven arbeiten unentgeltlich. Ausnahme: die Buchhaltung. Ohne Mitarbeit keine Stiftungs–Knete In den Genuß der Stiftungs– Knete kommt freilich nicht jeder, der sich ein Projekt ausdenkt. Angesagt ist Mitarbeit. Entweder muß sich der Interessent einer der bestehenden Arbeitsgruppen anschließen oder eine neue aufmachen. Dazu bedarf es allerdings der vorherigen Anerkennung durch Vorstand und Stiftungsrat. Schwerpunkte der Förderung sind derzeit Mittelamerika, Afrika und internationale Jugendbegegnungen. In Nicaragua, wohin einige Gründer anfänglich den ganzen Batzen Geld am liebsten direkt überweisen wollten, werden bislang ein Wasserbauprojekt, eine Elektro–Ausbildungswerkstatt, ein Wiederaufforstungsprojekt an der nicaraguanischen Atlantikküste und die Zeitung Hondupress unterstützt. Geplant ist weiter die stiftungs–finanzierte Anpflanzung von „Neembäumen“, die angeblich Schädlinge vertreiben und dadurch Pestizide überflüssig machen sollen. Das Projekt „Erfahren“ kümmert sich um ein Schülerprojekt in der Türkei. Für den schnellen Einsatz hält man außerdem einen „Feuerwehrfonds“ bereit, aus dem u.a. im Sommer 1986 eine Aktion der Berliner Alternativen Liste unterstützt wurde, bei der Kinder hier lebender Flücht linge aus Sri Lanka ausgeflogen wurden. „Ich würde den Leuten, die immer die guten Tips geben, was ich mit dem Geld anstellen soll, gönnen, daß sie auch mal sehen wie das ist, wenn man ständig wegen Geld angequatscht wird“, erklärte Ulf vor längerer Zeit. Dem Problem des Geldverteilens will er sich dennoch nicht entziehen. Er ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender. Und für seine Versorgung sorgt die Satzung: Er erhält BAT Ia. Aber wer Ulf kennt, weiß, daß davon sicher wieder die Hälfte an andere Projekte geht. Stiftung „Umverteilen - für eine, solidarische Welt“, Mehringdamm 50, 1 Berlin 61

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