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Umstrittene Ehrung für Emil Dovifat

■ Wissenschaftssenatorin Riedmüller will den „Nestor der deutschen Zeitungswissenschaft“ mit einer „Ehrengrabstätte“ auszeichnen / Undurchsichtige Rolle Dovifats im Dritten Reich wird neu diskutiert / Irritation am Institut für Publizistik der Freien Universität in West-Berlin

West-Berlin. „Die Presse als demokratisches Mittel gewann (...) Teile des Volkes, indem sie es als Ganzes zersplitterte. Die Presse des Führerstaates tritt an nach umgekehrtem Gesetze. Alle Elemente des Eigennutzes hat sie zu überwinden, sie hat Tag um Tag zu überführen zur großen Einheit des Volksganzen.“ (Zeitunglehre I, 1937 (2), Band II, S. 132). So Emil Dovifat (1890-1969), Zeitungswissenschaftler, erster Direktor des FU-Instituts für Publizistik (1948-1961), beteiligt an der Gründung der Berliner CDU und Träger des Großen Bundesverdienstkreuzes. Da er sich um Berlin verdient gemacht hat und obendrein in der Erinnerung der BerlinerInnen fortlebt, soll nun seine Grabstätte in Zehlendorf geehrt werden. Dafür hat sich jetzt Wissenschaftssenatorin Riedmüller ausgesprochen. Ein Amtsvorgänger Riedmüllers, der damalige Senator für Wissenschaft und Kunst, Werner Stein, hatte schon 1974 ein entsprechendes Ansinnen des Zehlendorfer Bürgermeisters abgelehnt. Inhaltliche Gründe hätten dabei aber keine Bedeutung gehabt, heißt es heute aus der Wissenschaftsverwaltung. Also auch nicht Dovifats Rolle im Dritten Reich, über die sich Dovifats Nachfolger an der FU in den letzten Jahren vermehrt äußern - um eine „Rückbesinnung“ auf Dovifat bemüht, den „legendären Lehrmeister ganzer Journalistengenerationen“, wie es der derzeitige Publizistik-Institutsdirektor Stephan Ruß-Mohl formulierte. Als er 1987 in der 'Zeit‘ eine Dovifat -Biographie Klaus-Ulrich Benedikts vorstellte, sah er immerhin „mannigfaltige Belege einer Kooperation“ Dovifats „mit dem Regime“. So habe er etwa „Auftragsarbeiten für das Propagandaministerium“ verfaßt, die „sich ziemlich nahtlos in Diktion und Denkweise des Dritten Reiches“ einfügten.

Bernd Sösemann, ein Kollege Ruß-Mohls und als ehemaliger Institutsdirektor ebenfalls Nachfolger Dovifats, legte der Wissenschaftsverwaltung nun ein Gutachten vor. Er sieht einige „fragwürdige Zitate“ Dovifats und eine „problematische Auffassung von der politischen Funktion der Presse als jeweiliger 'Ausdruck ihrer Zeit'“. Wie Ruß-Mohl kommt Sösemann dann zu dem Ergebnis, daß es „eine gravierende Fehleinschätzung“ sei, Dovifat - nie Mitglied der NSDAP - „zum Handlanger des totalitären Systems oder auch nur zu einem eifrigen Diener zu machen“.

Vielen Angehörigen des Lankwitzer FU-Instituts für Publizistik ist die Ehrung Dovifats und insbesondere das Gutachten ihres Professors Sösemann etwas unheimlich. Einige MitarbeiterInnen forderten in einer Resolution, wenigstens auch das Grab des direkten Dovifat-Nachfolgers am Institut, Fritz Eberhard, zu ehren. An den allzu unwägbaren Dovifat selbst mochten sie sich jedoch nicht herantrauen, zumal ihm niemand ernsthaft die Rolle des „Nestors der deutschen Zeitungswissenschaft“ (Ruß-Mohl) streitig zu machen wagt. Schließlich ziert seine „Zeitungslehre“ jede einschlägige Literaturliste, ein 1931 erschienenes Standardwerk, das er freilich 1937 und 1955 umschrieb, je nach politischer Opportunität.

So bleibt Dovifat für manche am Institut so suspekt wie das Verfahren zur Ehrung seines Grabes. Wer das nämlich angeregt hat, scheint niemand so genau zu wissen. Wenn allerdings der Senat tatsächlich Dovifats Grabstätte die Ehrenwürde zuerkennt, heißt das nur, daß es in den nächsten zwanzig Jahren nicht eingeebnet wird.

marc

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