Ultras in Cottbus: Infernalisches Treiben
Das Beispiel einer rechten Ultra-Fangruppierung aus Cottbus zeigt, wie der Sport gezielt unterwandert wird. Und die Grenzen von Sanktionen.
Kürzlich sind die „mondiali antirazzisti“, die antirassistischen Weltmeisterschaften der Fußballfans, im norditalienischen Castelfranco zu Ende gegangen. Fünf Tage lang spielten dort über 200 meist europäische Fangruppen ein Turnier aus, feierten zusammen und erläuterten Strategien gegen Nazi-Fangruppen, die unter anderem in Osteuropa und Italien die Fankurven dominieren.
Traditionell sind viele Ultras aus Deutschland bei den „mondiali“, allein 18 Teams, darunter Abordnungen aus Duisburg, Dresden, München oder Schwerin, kamen aus deutschen Städten.
Einige deutsche Ultragruppen bezeichnen sich als „links“, die übergroße Mehrheit verweigert eine politische Positionierung, grenzt sich aber deutlich von Nazis ab, die sie nicht in ihre Gruppen aufnehmen. Nur wenige Gruppen sind rechts. Eine davon hat sich zeitgleich mit den „mondiali“ in Erinnerung gerufen.
Nur wenige Tage nachdem Zweitligist Energie Cottbus seiner von Neonazis durchsetzten Ultragruppe „Inferno Cottbus“ wegen eines neuerlichen antisemitischen Vorfalls die Existenzgrundlage im heimischen „Stadion der Freundschaft“ entzogen hatte, saßen Mitglieder der Gruppe in einem Reisebus Richtung Tirol, wo ihre Lieblingsmannschaft ihr Trainingslager abhielt. Dort sorgten sie bereits vor ihrer Ankunft für helle Aufregung. Das für den 6. Juli geplante Testspiel der Cottbusser sagte die alarmierte Tiroler Polizei jedenfalls kurzerhand ab. Antisemitische Fans kann man nun wirklich nicht brauchen, wenn der Gegner Maccabi Tel Aviv heißt.
So dachte zumindest die Polizei, die allerdings vielleicht besser daran getan hätte, den 40 Businsassen deutlich die Gesetzeslage in der Alpenrepublik zu erklären. Die Nazis dürften sich jedenfalls ordentlich darüber gefreut haben, dass allein die Nachricht von ihrem Kommen ausreichte, um die Agenda in ihrem Sinne zu gestalten.
Das Cottbusser Beispiel zeigt damit auch die Grenzen von Sanktionen wie Stadionverboten auf: Es setzt ein klares, im Falle von „Inferno“, ein überfälliges Signal. Aber es hindert Ideologen nicht daran, sich zu produzieren. Notfalls in Tirol, 700 Kilometer von Cottbus entfernt.
Keltenkreuze, SS-Runen, Sensenmann
Die Gesinnung der Leute aus dem harten Kern von „Inferno“ ist dabei seit deren Gründung 1999 bekannt. Die Zaunfahnen, die in der Ultraszene als „Visitenkarte“ einer Gruppe gelten, zeigten mal Keltenkreuze, mal SS-Runen, mal den gleichen Sensenmann, den auch die mittlerweile verbotene Neonazi-Kameradschaft „Widerstand Südbrandenburg“ verwendete. 2012, beim Auswärtsspiel auf St. Pauli, ließen sie aus dem aus einzeln emporgereckten Buchstaben bestehenden Spruch „Ein Sieg heilt alle Wunden“ ein „Sieg heil“ entstehen.
Bereits „Inferno“-Gründer Markus W., ein Kickbox-Champion, war und ist ein Nazikader. Vor dem Mann, der bis zu einem Stadionverbot Anfang 2013 Vorsänger der Gruppe war, warnte bereits der Brandenburger Verfassungsschutz. Er gehöre der Führungsebene der örtlichen Nazikameradschaft an. Der Cottbusser Fall ist sicher ein besonders krasses Beispiel für eine von Nazis geführte Gruppe, doch auch in einigen anderen Gruppen, wie Lok Leipzig oder in geringerem Maße bei Alemannia Aachen, sind Teile der Fan- und Ultraszene mit langjährigen Nazikadern durchsetzt.
Susanne Kschenka, Mitarbeiterin des „Brandenburger Instituts für Gemeinwesenberatung“ in Cottbus, weiß, wie es solche „Chefs“ in der Fanszene schaffen, sich eine Gefolgschaft aufzubauen: „Wenn jemand lange in der rechten Szene unterwegs war und gleichzeitig in der Fangruppe eines Fußballvereins, schluckt das Fußballumfeld auch dessen Ideologie viel leichter.“ Eine Frage der Glaubwürdigkeit also.
Während ein NPD-Kader, der vor Wahlen Flugblätter verteilt, eine Abfuhr riskiert – Ultras lassen sich nicht gern instrumentalisieren –, gelingt die schleichende Indoktrination vergleichsweise spielend, wenn die Agitatoren seit langem fester Bestandteil der Fanszene sind. Und das nicht nur in Cottbus.
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