: Ulrich Nölle: Da hilft nur noch beten
■ Senat zittert vor Vulkan-Vorstandsentscheidung / Kritik am Dilletantismus der Landesregierung
Die Mitteilung von gestern nachmittag war denkbar knapp: Der Vorstand des Vulkan-Verbunds setzt seine Beratungen fort, ein Ergebnis wird am Dienstag um 18.00 dem Aufsichtsrat mitgeteilt, es gibt kein „manifestiertes Beteiligungsinteresse Dritter an der AG“. Das war alles, was gestern aus der Konzernspitze zu erfahren war. Die erwartete Erklärung, ob es nun zum mittlerweile fast sicher erscheinenden Konkurs, einem Vergleich oder einer Fortführung des Konzerns wie auch immer kommen würde – diese Erklärung ist verschoben, und damit auch die für gestern um sechs anberaumte Senats-Sondersitzung. Heftige Kritik kam unterdessen aus Brüssel von der Bremer EU-Abgeordneten Karin Jöns. Die beklagte den Dilettantismus der Bremer EU-Politik. Die ganze Anspannung (und Hilflosigkeit) des Senats in der zugespitzten Situation drückte sich in einem Satz von Finanzsenator Ulrich Nölle aus, den er gestern Radio Bremen ins Mirko sprach: „Ich bete mit allen.“
Das wird wohl nötig sein, denn auch gestern gab es kaum Anlaß für übertriebene Hoffnung, daß Bremen noch einmal mit einem blauen Auge davonkommen würde. Niedersachsens Wirtschaftsminister Peter Fischer hatte unmißverständlich erklärt, sein Land könne nichts für den Verbund tun. Allenfalls betroffene niedersächsische Betriebe aus dem Verbund und Zulieferer-Firmen könnten auf Geld aus Hannover spekulieren. Vom entscheidenden Gespräch von Emissären der Bundesregierung und des Vulkan beim EU-Wettbewerbs-Komissar Karol van Miert gestern nachmittag um halb sieben wußte zum Beispiel der Wirtschaftssenator rein gar nichts, trotz der Senatssitzung, die bis zum Mittag stattgefunden hatte. Die Nerven waren deshalb angefressen: „Wir sind da nicht eingeladen“, meinte ein sichtlich ungehaltener Wirtschaftssenator Hartmut Perschau und beeilte sich, den journalistischen Nachfragen zu entkommen.
Unterdessen setzte es Watschen aus Brüssel. Da redete sich die Bremer Europa-Abgeordnete Karin Jöns ihren Frust über die Landesregierung von der Seele. Seit Monaten sei das Desaster des Vulkan absehbar gewesen und klar, daß Bremen die Zustimmung der EU zu weiteren Rettungsversuchen des Vulkan brauche – „und war Hennig Scherf schonmal in Brüssel? Eben nicht!“ Bremens Interessenvertretung in Brüssel – Dilettantismus auf der ganzen Linie, wenn man Karin Jöns folgt. Und in der Tat: Der extra für die Verbindung zur EU zum Staatsrat bestellte Günter Niederbremer wurde gestern bei der Sitzung der Stadtbürgerschaft gesichtet, sein Brüsseler Büroleiter hatte auch einen Termin in Bremen. „Am entscheidenden Tag ist das Bremer Büro in Brüssel mit einer Aushilfs-Sekretärin besetzt. Da fasse ich mich an den Kopf“, wetterte Karin Jöns. Aber dafür sei auch das Brüsseler Büro des Vulkan verwaist. „Wir können doch nicht immer erste zur EU-Kommission rennen, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist.“ Das wollte das Wirtschaftsressort nicht eingesehen. „Auf dem Papier ist das Büro schon gut besetzt“, meinte gestern Frank Schaer, Sprecher von Wirtschaftssenator Hartmut Perschau, unter dessen Fittichen Niederbremer arbeitet. „Wenn der Büroleiter da ist, dann ist ein guter Informationsfluß durchaus gegeben.“ Und auf die Frage, was denn Günter Niederbremer europapolitisch so treibe, antwortete der CDU-Fraktionschef Ronald-Mike Neumeyer nur: „Der hat wichtige Termine, in Madrid und so.“ J.G.
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