: Überraschend deutlich sprach sich der Parteitag der NRW-Grünen für den Verbleib in der Landesregierung aus. Daß der Braunkohleabbau in Garzweiler von der Düsseldorfer Regierungsbank aus verhindert wird, glauben immer weniger. Bessere Strategien konnten die Koalitionsgegner aber auch nicht bieten Aus Jüchen Walter Jacobs
Regieren geht über verlieren
So viele gute Ratschläge gab es von politischen Gegnern noch nie. Zeitweise schien es vor den Toren der Sporthalle in Jüchen am Samstag fast so, als treibe Bergleute, CDU-Generalsekretäre und die außerparlamentarischen Liberalen nur eine Sorge um: die Bewahrung der grünen Parteiidentität. Doch der Einsatz der selbsternannten Samariter wurde nicht belohnt. Auch der von den liberalen Couponschneidern herbeigeschaffte Elch verfehlte seine Wirkung.
Zur Entscheidung in der Halle trug die PR-Inszenierung vor der Tür nichts bei. Drinnen spielte die Musik. In bemerkenswerter Weise wurde da um den grünen Kurs gerungen: authentisch, ernsthaft, mit heißem Herzen und kühlem Verstand. Eine Lehrstunde innerparteilicher Demokratie. Am Ende siegten zwar die Koalitionsbefürworter mit einer deutlichen Mehrheit von rund 60 Prozent. Eine Spaltung der Grünen folgt daraus aber nicht. Der Händedruck zwischen den Hauptkontrahenten Daniel Kreutz und Bärbel Höhn unmittelbar nach dem Votum war mehr als eine Geste. Beide Lager bleiben zusammen, weil es, so Kreutz, „außerhalb der Grünen keinen Ort für unsere politischen Ziele gibt“.
Während seiner Rede hatte der Kölner Abgeordnete, der dem rot- grünen Koalitionsausschuß im Düsseldorfer Landtag angehört und der zu den Ausstiegsbefürwortern zählt, wiederholt auch von jenen Beifall geerntet, die seiner Empfehlung nicht folgen mochten. Weil es auf beiden Seiten respektable Argumente gab, tobte der Kampf zwischen Pro und Contra bis zuletzt in so mancher Delegiertenbrust. Der SPD nach dem „arroganten, koalitionsunverträglichen Clement-Kurs“ die rote Karte zu zeigen, danach stand vielen der Sinn. Die Ausstiegsbefürworter hatten zum Braunkohleabbau Garzweiler II aber „keine Strategie“ anzubieten, die, so etwa der Abgeordnete Gerd Mai, „uns weiter bringt als das Höhn-Konzept“. Deshalb setzte sich die linke Umweltministerin im Verein mit Reiner Priggen, dem Parteisprecher und Kopf der Realos, zu guter Letzt doch durch.
Die Mehrheit der Grünen vertraut darauf, daß Höhn in dem nun anstehenden weiteren Genehmigungsprozeß als zuständige Fachministerin die ökologischen und energiewirtschaftlichen Probleme so bearbeiten kann, daß der Stopp des Vorhabens wenigstens nicht ausgeschlossen ist. Höhn selbst hält die grünen Bedenken für gewichtig genug, um in dem Überprüfungsprozeß zu bestehen.
Daß über diesen Weg Garzweiler noch verhindert wird, das halten nicht wenige für eine „schlichte Illusion“. Ein ergebnisoffenes Verfahren werde die SPD nur so lange zulassen, wie „es keine Hebel gegen Garzweiler bietet“, glaubt Kreuz. Auch Vorstandssprecherin Barbara Steffens, bis zum Dezember noch auf der Seite der Koalitionsbefürworter, hat die Hoffnung, aus der Regierung heraus das Projekt zu verhindern, aufgegeben. SPD-Wirtschaftsminister Clement sei ein „Überzeugungstäter“ und an einer gedeihlichen Zusammenarbeit mit den Grünen nicht interessiert.
Höhn dagegen will den Praxistest erst einmal abwarten. Sollte die SPD-Mehrheit sie in der Regierung tatsächlich daran hindern, das von ihrem Haus als richtig Erkannte zu tun, dann wäre ohnehin Schluß. Höhn: „Wenn ich drei Tage davor wäre, die wasserrechtliche Erlaubnis nicht zu erteilen, und der Ministerpräsident schmisse mich raus, dann wären wir als Grüne doch in einer besseren Position als heute.“ Beifall in der Halle.
Auch mit Blick auf Bonn vermochte die Mehrheit Neuwahlen nichts abzugewinnen. Während der Bochumer Delegierte Theo Braukmann ein Koalitions-Pro als „Demuts- und Unterwerfungsgeste“ geißelte, sahen viele Delegierte gerade durch ein Pro die Chancen für Rot-Grün in Bonn besser gewahrt. Und so mancher stimmte dem grünen Bauminister Michael Vesper zu, der davor warnte, der Möllemann-FDP durch „unnötige“ Neuwahlen eine Art „Wiederbelebungsprogramm“ zu bieten.
Daß die getroffene Entscheidung zur Fortsetzung der Koalition bei der eigenen Klientel die von den Koalitionsgegnern vielfach beschworene Glaubwürdigkeitskrise auslösen könnte, steht für die Grünen offenbar nicht zu befürchten. Glaubt man einer von der Düsseldorfer Staatskanzlei in Auftrag gegebenen Umfrage, dann befürworten genau 83 Prozent der grünen WählerInnen den beschlossenen Kurs.
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