Überfüllung in der BVG: Weil du uns nie langweilst
Unser Autor ist regelmäßiger Verkehrsteilnehmer der BVG. Warum die BVG ihren Fahrplan nicht nach dem Verkehrsaufkommen richtet? Ein Rätsel.
Man könnte meinen, die BVG kriege es im Moment nicht hin. Zu den Hauptverkehrszeiten, den „Rushhours“, sind die Bahnen fast grundsätzlich so voll, dass man sich als einfacher Fahrgast, der von A nach B will, immer wieder fragt, weshalb man eigentlich eine Fahrkarte gekauft und sogar schön altmodisch gestempelt hat. Aber auch an besonderen Zeiten ist die BVG immer wieder zu Sonderscherzen aufgelegt – man kennt das schon. Das Stadion ist voll, weil Fußballspiel? Langes Warten an zu kleinen Bahnsteigen im Anschluss. Ein Popstar gibt ein Konzert in der Freiluftbühne im Osten der Stadt? Die BVG tut so, als würde nichts passieren, als wäre alles normal.
Sogar der Berlin-Marathon fällt bei den Berliner Verkehrsbetrieben nicht weiter ins Gewicht. Tausende Läufer auf der Straße, noch mehr Leute, die sich den Spaß auch bei schlechtem Wetter angucken wollen – ein ganz normaler Sonntag, wenn es nach der BVG geht. Taktwechsel, weil besondere Anlässe? Hamwanich. Eine moderne Stadt, die sich auch in Sachen intelligenter ÖPNV weiterentwickeln will? In Paris vielleicht. Hier jedoch nicht.
Also steht man da und wundert sich, sonntagmorgens um 9.15 Uhr, U7 Hermannplatz. Das ist ein großer U-Bahnhof mit großem Potenzial, der an diesem Sonntag des Berlin-Marathons schon früh mit sehr vielen Menschen voll ist. Wohin wollen die alle, fragt man sich kurz, dabei steht der Berlin-Marathon seit einem Jahr dick im Kalender. Doch statt eines höheren Takts steht auf der Anzeigetafel in orangener Schrift: „U7 Rathaus Spandau 10 Min“.
Immerhin, die BVG hat eine gute Kundenbetreuung und kennt sich in den sozialen Medien bestens aus. Tatsächlich antwortet ihr Profil „Weil wir euch lieben“ relativ zügig (haha) auf meinen Hasspost: „Hallo #bvg, schon mal in den Kalender geguckt? Was stand für heute an? Richtig, Berlin-Marathon! Grund, den Fahrtakt zu erhöhen, weil sonst irres Gequetsche und Gekuschel in viel zu vollen Bahnen? Aber nicht doch! Wozu denn! Könnte man ja als intelligente Dienstleistung missverstehen!“
Nämlich mit: „Das haben wir mitbekommen, schließlich waren Dutzende unserer Linien unterbrochen. Aber wie jede Veranstaltung muss auch der Marathon Zusatzfahrten bestellen – und bezahlen.“
Ach so! Der Marathon muss! Bezahlen! Nicht etwa die Fahrgäste! Die von A nach B wollen! In diesem Schildbürgertum! Oder gar die BVG selber! Die doch eigentlich im Sinne des Bürgers! Für den fließenden Nahverkehr sorgen könnte! Doch wer hätte! Das bedacht!
Ja, das ist Bürokratie, langweilig wird sie nie.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“