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Überall nur Nacht und Nebel

■ HSV-Profi Sven Kmetsch geht nach Saisonende ohne Ablöse zu Schalke 04. Vorstand und Trainer sind wegen des Wechsels „verbittert“und tief geschockt

Das Wehklagen war in der ganzen Stadt zu hören, die Betroffenheit entsprechend groß. Auch bei HSV-Geschäftsführer Werner Hackmann. „Mit großem Bedauern und Verbitterung“nehme er Sven Kmetschs Entscheidung „zur Kenntnis“, nach Saisonende ablösefrei zum FC Schalke 04 wechseln zu wollen. Und der Vorstandsvorsitzende Uwe Seeler stellte neben seiner üblichen Empörung auch Kenntnisse aus der Textilbranche unter Beweis. „Wir haben unser letztes Hemd für ihn ausgezogen.“

Sein Desinteresse an gebrauchter Oberbekleidung war wohl nicht der Grund, weshalb der 27jährige Mannschaftskapitän es vorzieht, statt Rothose ab 1. Juli kommenden Jahres Knappe zu sein. Eine nicht ganz unbedeutende Rolle dürfte die Entlohnung gespielt haben. Der Jung-Nationalspieler wird beim amtierenden Europacupsieger in vier Vertragsjahren geschätzte zehn Millionen Mark verdienen exklusive dem branchenüblichen siebenstelligen Handgeld.

Der ehemalige Dresdner Kmetsch, der seit 1995 für die Hamburger spielt, verwies gestern allerdings auch auf die „wesentlich besseren sportlichen Perspektiven“auf Schalke. Die seien „noch“vielversprechender als bei Borussia Dortmund, das sich ebenfalls um den defensiven Mittelfeldspieler bemüht hatte. „Sven paßt hervorragend zu uns. Schön, daß es geklappt hat“, freute sich Schalkes Manager Rudi Assauer über den Neuzugang, der vermutlich schon ein Jahr früher den HSV verlassen hätte, wenn der Verein nicht den Vertrag einseitig mit Paragraph 11 verlängert hätte.

Dem enttäuschten HSV-Boß Seeler, der kürzlich auch den Bayern in spe, Hasan Salihamidzic, hatte abschreiben müssen, fiel darob nicht viel ein: „Es ist leider so – Geld regiert die Welt.“Da kann Hackmann, obgleich früher Innen- und nicht Finanzsenator, seinem Vorgesetzten nur beipflichten: „Das sind Gehälter, die im normalen Bundesliga-Geschäft nicht zu bezahlen sind.“

Die Perspektive, künftig ohne den hartnäckigen Dauerläufer auskommen zu müssen, wollte HSV-Trainer Frank Pagelsdorf gestern gar nicht behagen: „Schon der Wechsel von Salihamidzic war eine Ohrfeige für mich. Jetzt kommt noch ein Knall dazu.“Der Coach warf seinem zukünftigen Ex-Spieler vor, zwei Tage vor dem wichtigen Spiel gegen Dortmund „in einer Nacht- und Nebel-Aktion zu Verhandlungen nach Gelsenkirchen“gefahren zu sein.

Beim Neuaufbau des Teams könne er wieder bei null anfangen: „Das Maß ist voll.“Ob die „Führungspersönlichkeit“weiter Kapitän bleiben soll, will Pagelsdorf „in den nächsten Tagen überschlafen“. Allzu süß werden die Träume nicht sein. Clemens Gerlach

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