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„Über meine Ablösung muß Herr Diestel entscheiden“

■ Die taz sprach nach Innensenator Pätzolds Rücktrittsforderung mit Ost-Berlins Polizeipräsident Dirk Bachmann / „Ich habe mich gegen eine Gesinnungsprüfung gewehrt“

INTERVIEW

Berlin. Auch wenn DDR-Innenminister Diestel weiter schweigt: die Stimmung zwischen Westberliner Innenverwaltung und dem Ostberliner Polizeipräsidenten Dirk Bachmann verschlechter sich immer mehr. Den Brief an West-Berlins Polizeipräsident Schertz, in dem Bachmann Innensenator Erich Pätzold angriff, hat Bachmann nicht zurückgenommen (siehe taz von gestern). Pätzold fordert weiterhin Bachmanns Rücktritt. Ein für gestern vormittag geplantes Koordinierungstreffen „Projektgruppe Polizei“, von Ost- und Westberliner Polizei besetzt, wurde einfach abgesagt. Die taz befragte Polizeipräsident Bachmann zu seiner Kritik an Pätzold und Diestel, zur Sicherheitsüberprüfung Ostberliner Führungskräfte in der Polizei und zu möglichen Rücktrittsgedanken.

taz: Herr Bachmann, wenn man Ihren Brief an West-Berlins Polizeipräsident Schertz liest, bekommt man den Eindruck, daß Innensenator Pätzold ein Zusammenwachsen der beiden Berliner Polizeien behindern würde. Warum richten Sie Ihre Kritik nicht an die Adresse Ihres Vorgesetzten, DDR -Innenminister Diestel? Der will die Kompetenz für die Polizei nicht dem Berliner Magistrat geben - nicht besonders fördernd für ein Zusammenwachsen.

Dirk Bachmann: Das ist unrichtig, daß ich Pätzold kritisiert habe. Ich habe in dem Brief an West-Berlins Polizeipräsident Schertz lediglich geäußert, daß ich es bedauerlich finde, daß unser Treffen vom Februar nicht fortgesetzt wird. Ich glaube, daß Herr Pätzold gewillt ist, die Berliner Polizeien sehr schnell zusammenzuführen.

Haben Sie Kritik an Diestels verkrampftem Festhalten an der Polizei?

Ich sehe keine Veranlassung mich gegenüber Herrn Diestel kritisch zu äußern, weil die Frage der Übertragung der Polizeihoheit nur durch einen gesetzgeberischen Akt entschieden werden kann. Ein Handschlag zwischen Herrn Diestel und dem Innenstadtrat Krüger reicht nicht.

Wenn es beim Zusammengehen der Berliner Polizeien um die Sicherheitsüberprüfung der Volkpolizisten geht, dann äußern sie heftige Kritik an Pätzold. „Mit Befremden“, so Ihre Worte, hätten sie die Verlautbarung des Innensenators vernommen, auf der einen Seite die Sperregelung für Aus- und Übersiedler aufzuheben, gleichzeitig aber Ost-Berlins Polizisten zu prüfen, wenn sie in eine Gesamtberliner Polizei übernommen werden.

Ich habe mich nur dagegen gewehrt, daß die Überprüfung in Richtung einer Gesinnungsprüfung läuft. Man muß sich einigen, was das heißt, „politische Belastetheit von Polizisten“. Ich habe mich darüber gewundert, daß der Ausschuß für Öffentliche Sicherheit der Alliierten Kommandantur die Sperregelung aufhebt, daß also Aus- und Übersiedler ohne jede Sicherheitsüberprüfung in die Westberliner Polizei eingestellt werden können. Das ist in gewissem Sinne eine Diskriminierung der gegenwärtig im Ostberliner Polizeidienst Tätigen.

Es ist weiterhin so, daß ehemalige Stasi-Mitarbeiter nicht bei der Westberliner Polizei eingestellt werden. Bewerber aus der DDR müssen zwei Gewährspersonen aus West-Berlin oder einem anderen Bundesland benennen und sind zu „intensiver Selbstauskunft“ verpflichtet. Für bestimmte Sicherheitsbereiche in der Polizei bleibt die herkömmliche Sicherheitsüberprüfung bestehen.

Wir müssen in den Arbeitsgruppen aber dieses Hickhack um Eignungskriterien beenden. Hier sind Herr Schertz und auch ich kompetent, dafür zu sorgen, daß unsere beauftragten Mitarbeiter in dieser Frage einen Konsens finden.

Soll es Ihrer Meinung nach eine Sicherheitsüberprüfung der Ostberliner Führungskräfte der Polizei geben?

Ja, der Sache müssen wir uns stellen, da dürfen wir uns nicht herauswinden.

Und wie sieht es mit Ihrer Eignung aus? Die Westberliner Polizeigewerkschaft hatte Ihren Rücktritt gefordert, nachdem Sie eine Bürgerwehr gegen Extremismus vorgeschlagen hatten ...

Ich hatte eine breite Bürgerfront gegen Extremismus vorgeschlagen ...

Sie haben den Vorsitzenden der Ostberliner Polizeigewerkschaft vor einem Fernsehinterview mit einem Auszug seiner Personalakte unter Druck setzen wollen ...

Das behaupten Sie.

Das behauptet Herr Kämpf, der Vorsitzende der Ostberliner GdP. Und gegen Sie ermittelt deshalb die Westberliner Staatsanwaltschaft wegen Nötigung ...

Das ist mir nicht bekannt. Ich weiß, daß der Ostberliner Generalstaatsanwalt diese Anzeige prüft ...

Die Westberliner Staatsanwaltschaft hat der taz gegenüber das Ermittlungsverfahren bestätigt. Dann haben Sie eine typische Parteikarriere hinter sich, sind Offizier geworden, haben in der Sowjetunion studiert, waren Polizeichef in Halle. Glauben Sie, daß Sie ein gutes Vorbild für die Ostberliner Polizisten abgeben?

Ich muß von der Gegenwart und den Realitäten ausgehen nicht von Unterstellungen. Ich spüre seit Mai eine direkte Kampagne gegen mich. Nichts von dem, was mir vorgeworfen wird, hat sich bisher bestätigt. Ich würde nur dann zurücktreten, wenn ich das Vertrauen meines Dienstherren und das meiner Polizisten nicht mehr habe. Über meine Ablösung muß mein Dienstherr, Innenminister Diestel, entscheiden. Ich glaube nicht, daß das der Kompetenz des Innensenators Pätzold entspricht.

Das Gespräch führte Dirk Wildt

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