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■ Die AnderenÜber eine mögliche Große Koalition schreiben "Corriere della Sera" und "Il Messaggero" / "Liberation" sieht die Chancen für Rot-Grün schwinden / Die dänische "Politiken" beschäftigt das politische Schicksal Kohls

Kohls Äußerungen zu einer Großen Koalition widmet sich der Mailänder „Corriere della Sera“: Wahrscheinlich würde er sich weigern, eine Große Koalition zu führen. Aber selbst Helmut Kohl muß am Ende einräumen, daß man in der Politik wie in der Liebe niemals „nie“ sagen sollte. Das Bombardement der Umfragen erhöht in Wirklichkeit die Unsicherheit, welche Koalition siegreich aus den Wahlen hervorgehen könnte. Und dies auch deshalb, weil die Demoskopen in Deutschland in den vergangenen Jahren mehrfach die Unglücklichen waren und zum Beispiel bei immerhin drei Regionalwahlen das Potential der extremen Rechten unterschätzt haben. Im Moment stehen die Chancen für eine Große Koalition am besten: Es ist kein Zufall, daß nun Kohl damit beginnt, die Hände danach auszustrecken.

Der römische „Il Messaggero“ kommentiert den Ausblick auf eine Große Koalition: Ein eigenartiger Wahlkampf: Da kämpfen alle bis zum letzten Blutstropfen gegeneinander und wissen doch schon alle zu Beginn, daß am Ende wahrscheinlich die große Umarmung stehen wird. Viele Kriege sind übrigens so beendet worden. So kann es auch bei der Wahl ausgehen, die Kohl immer als Richtungsentscheidung definierte. Wird es nach der Wahl am Sonntag eine große Umarmung geben? Die Antwort liegt in den Händen von 20 Millionen unentschlossenen Wählern.

„Libération“ sieht die Chancen für Rot-Grün schwinden: Diese allgemeine Nervosität erklärt sich aufgrund der Lektüre der letzten Umfragen. Die SPD führt noch mit fast 41 Prozent, aber die CDU hat sich in diesen letzten Wochen schnell verbessert, bis zu 38 Prozent, so daß alle Szenarien noch möglich sind. Eine ausreichende Mehrheit für eine wirkliche rot-grüne Alternative scheint immer weniger gesichert, zumal sie nur von einer Minderheit der Wähler gewünscht wird. Das wahrscheinlichste Ergebnis scheint eine Große Koalition SPD/CDU zu sein. Sie würde von Schröder geleitet, wenn die SPD vorne liegt. Von Wolfgang Schäuble, dem Kronprinzen Kohls, wenn die CDU vor der SPD liegt. Die am wenigsten wahrscheinliche Hypothese ist, daß es Kohl noch einmal gelingt, seine Koalition mit der kleinen liberalen Partei zu erneuern, mit der er seit 1982 regiert.

Die dänische „Politiken“ beschäftigt das politische Schicksal Kohls: Kohl träumt davon, Bismarck als Deutschlands am längsten regierenden Kanzler zu übertreffen. Sollte er aber gewinnen, wird er kaum die gesamte Wahlperiode im Amt bleiben. Er könnte unbesiegt zurücktreten und das Steuer seinem Kronprinzen Wolfgang Schäuble überlassen, der zum beliebtesten Politiker der Bundesrepublik geworden ist. Das würde Schäuble auch rechtzeitig vor den nächsten Wahlen im Kanzlerstuhl plazieren.

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